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Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Titel: Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geiseln
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nahm er sein Telefon zur Hand und rief die Nummer der Polizei in Helsinki an.
    »Ihr habt fünfzehn Minuten Zeit, unsere vorhin festgenommenen serbischen Genossen in den Präsidentenpalast zu bringen«, sagte er zu dem Dienst habenden Polizisten. »Wenn ihr nicht gehorcht, töten wir den ersten Gast.«
27
    Im Übertragungswagen des Finnischen Fernsehens starrte Lauri Hyvönen, der für ein Millionenpublikum die Regie führte, auf die Monitore. Mit harter Hand stießen Männer mit schwarzen Sturmhauben und schwarzen Rucksäcken die Festgäste vor sich her, die dabei jegliche Würde verloren. Das Chaos in der Residenz stand in krassem Widerspruch zu der friedlichen Atmosphäre im gedämpften Licht des stillen Übertragungswagens. Nur das Jaulen eines davonfahrenden Krankenwagens drang herein. Der Polizist, der vor dem Eingang in der Mariankatu angeschossen worden war, wurde ins Krankenhaus gebracht. Die Kameramänner in der Residenz gingen weiter ihrer Arbeit nach, Hyvönen hörte ihre Kommentare über seinen Kopfhörer. Die Bilder der Handkameras waren unruhig. Die Stimmen der drei Reporter in der Residenz fehlten allerdings, auch konnte man die Kollegen nirgendwo im Bild entdecken.
    »Wir brechen die Übertragung ab«, sagte Hyvönen zu seinem Regieassistenten.
    »Welchen Text blenden wir ein?«
    »Irgendeinen.«
    Der Abbruch einer Übertragung war eine außergewöhnliche Maßnahme, über die eigentlich der Sendeleiter hätte entscheiden müssen, aber jetzt schien sofortiges Handeln die einzig richtige Lösung zu sein. Der Monitor mit dem ausgehenden Signal wurde schwarz. Dann erschien als Standbild eine Außenaufnahme der festlich erleuchteten Residenz. Darüber stand der Text: Wir bitten um etwas Geduld.
    102
    Fast im selben Augenblick, wahrscheinlich rein zufällig, brachen die Übertragungen der Kameras aus der Residenz eine nach der anderen ab. Hyvönen griff sofort zum Mikrofon. »Was ist da los?«
    »Sie unterbrechen ...«
    Dann war die Stimme des Kameramanns weg.
    Die Schneide des kleinen Beils durchschlug das orange Kabel und drang in das gemusterte, sorgfältig polierte Parkett des Atriums ein. Der Vorgang spiegelte sich in der Sonnenbrille, die Slobo zusätzlich zur Sturmhaube aufgesetzt hatte. Er riss das Beil aus dem Holz und blickte zur Galerie hinauf. Der Kameramann, der dort am Geländer stand, schaute verwirrt und ängstlich zurück. Die Festgäste hielten von Slobo so viel Abstand wie möglich. Nach den hektischen Momenten unmittelbar nach dem Eindringen war er jetzt bereits in der Lage, sich neugierig umzuschauen.
    Dieses Fest hier, das er bislang nur von Pressefotos kannte, war noch aufgeblasener, als er gedacht hatte. Nie zuvor hatte er so viel Seide, Gold, Flitter auf einem Haufen gesehen, nie so viele Orden, Plissees, Schmuckfedern, Stickereien. Diese Leute, diese Kleider, dieses Fest - das war nicht nach Slobos Geschmack. Er stand mehr auf einen coolen Stil. Im ersten Moment war er gegenüber den Kadetten, die mit ihren Uniformen und ihren langen, schmalen Säbeln bedrohlich wirkten, besonders argwöhnisch gewesen, aber bald hatten sie sich als ebenso ungefährlich erwiesen wie die übrigen Gäste, genau so, wie Vasa es vorab erklärt hatte. Die Kadetten waren nur hier, um mit Frauen zu tanzen, die keinen Partner hatten.
    An einigen Stellen standen Fernsehkameras, dahinter Kameramänner in Anzügen und mit Kopfhörern. Sie blickten sich unruhig um, weil die durchtrennten Kabel die Übertragung unterbrochen hatten und auch keine Anweisungen mehr aus dem Sendewagen bei ihnen ankamen. Im Jahr zuvor waren gar einundzwanzig Kameras vor Ort gewesen, hatte Slobo über das Internet herausgefunden. Schon allein daran konnte man sehen, dass diese Veranstaltung für die Finnen eine große Sache war.
    Slobo rückte die Sonnenbrille zurecht und sah auf die Uhr. Sie hatten die Situation unter Kontrolle, aber Vasa und Danilo könnten von ihm aus gerne bald eintreffen, damit es weitergehen konnte. Seinen Rucksack hatte Slobo inzwischen Zlatan übergeben, der mit Stanko für die schweren Waffen zuständig war.
    Slobo wiederum kümmerte sich darum, dass niemand die Residenz verließ oder hereinkam - weder durch Türen und Fenster noch über das Dach. Er hatte zwei WCs für die Gäste überprüft, hatte Gänge mit Plastiksprengstoff vermint und Fotozellen angeschlossen, deren Alarmempfänger sich in seiner Hosentasche befand. In einer anderen Tasche steckte auch sein iPod, aber zum Musikhören würde er erst

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