Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
so gründlich gedemütigt?« »Sich für eine Demütigung rächen und ein Risiko eingehen sind zwei verschiedene Dinge. Man braucht schon ein größeres Motiv, um deswegen alles aufs Spiel zu setzen. Offensichtlich hast du eines.«
»Was meinst du damit?«, fragte Hellevig.
Die Männer fixierten sich gegenseitig, ohne ein Wort zu sagen. Aus den Kopfhörern, die Steglitz um den Hals baumelten, kam gedämpfte rhythmische Musik.
»Auf dem Schiff ...«, sprach Steglitz weiter und ging mit dem Gesicht ganz dicht an Hellevig heran. »Du bist gefesselt und durchnässt gefunden worden. Das klingt nach Waterboarding. Hast du geplaudert?«
Hellevig bemühte sich, seine Wut im Zaum zu halten. »Wenn du noch einmal eine Andeutung in diese Richtung machst, bringe ich dich um.« 200
Steglitz starrte Hellevig unverwandt an. »Dein Urteilsvermögen lässt nach. In jeder Hinsicht«, sagte er, drehte sich um und ging langsam zum Auto zurück. »Halt an, hier ist ein guter Platz«, sagte Tero. Er hörte selbst, wie nervös er klang.
»Bist du sicher?«, fragte Kimmo.
Tero nickte kurz.
Kimmo bremste auf dem Feldweg, und der Wagen blieb neben einer Wiese stehen. Der Vito müsste in etwa dreihundert Metern Entfernung zwei Kurven weiter warten. Jedenfalls war er vor ihnen vom Ostzubringer auf die Sotungintie abgefahren. Dort hatten sie dann nicht mehr an ihm dranbleiben können.
»Wir haben gerade angehalten«, sagte Tero zu Roni am Handy, während er aus dem Wagen stieg.
Er sah sich um. Die Gegend kannte er gut, Roni war als kleiner Junge in der nächsten Kurve einmal mit dem Moped gestürzt. Mittlerweile wuchs niedriges Gras an der Stelle, wo früher rutschiger Sand gewesen war.
Kimmo stieg ebenfalls aus und schob die Pistole in die Jackentasche. »Sei vorsichtig«, sagte Tero zu Roni, bevor er auflegte.
»Ist er bereit?«, wollte Kimmo wissen.
Tero nickte unsicher. Er deutete hektisch auf ein dichtes Waldstück. »Geh direkt in die Richtung. Halte dich in der Nähe des Wegs und geh nicht zu tief in den Wald hinein.«
Die Erinnerungen an Ronis Kindheit, die der Ort auslöste, drangen immer stärker in Teros Bewusstsein. Als er den Blick wieder auf Kimmo richtete, sah er, dass dieser mit der Waffe auf ihn zielte und ihn anblickte wie einen wildfremden Menschen.
»Das kann nicht dein Ernst sein ...«, stammelte Tero konfus.
»Sag mir, wer von ihnen Julias Mörder ist.«
Tero hatte mit dieser Frage gerechnet, er begriff, dass Kimmo nicht nachlassen würde, trotzdem gab er keine Antwort. »Du brauchst das nicht zu wissen.« 200
»Roni fährt in vollem Tempo auf die Lichtung zu. Willst du, dass er den Mafiosi alleine gegenübertritt? Also: Wer ist es?«
Tero sah Kimmo eher mitleidig als verängstigt an. »Du kannst dir nicht das Recht nehmen ...«
»Vergeude keine Zeit, verdammt noch mal!«
Tero zögerte, aber nur kurz.
»Derjenige, der im Hafen zugestiegen ist.«
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ohne auch nur eine Miene zu verziehen, ging Kimmo auf den Wald zu. Tero sah ihn zwischen den Bäumen verschwinden und seufzte tief. Dann setzte er sich an das Steuer des Wagens.
53
Roni bog ein paar Zweige zur Seite und sah rechts einen Felsen aufragen. Der Nebel und der dichte Wald ließen die Umgebung düster erscheinen. Nur das gelbe Laub leuchtete in hellen Punkten.
Er horchte, aber es war absolut still, abgesehen vom Hämmern eines Spechts in der Ferne. Das Geräusch hallte wie in einem riesigen Gewölbe. Sein Vater hatte eigentlich nicht zulassen wollen, dass Roni dabei war, wenn er mit Kimmo die Schweden traf. Aber sie brauchten einen dritten Mann, anders ging es nicht. Ronis Aufgabe war allerdings die ungefährlichste. Er sollte vom Wald aus die Situation im Auge behalten und im äußersten Notfall Hilfe holen. Er blickte auf den Taser in seiner Hand. Er hatte so ein Ding noch nie benutzt, aber er kannte den Effekt; das Gerät war kein Spielzeug. In den USA liefen mehrere Gerichtsverfahren, weil der Verdacht bestand, dass mit solchen Tasern Menschen getötet werden konnten. Sein Vater hatte gewollt, dass er sicherheitshalber etwas bei sich trug, mit dem er sich wehren konnte. Vorsichtig näherte sich Roni den Findlingen, hinter denen er den Vito erspäht hatte. Sein Mund wurde trocken, und seine Beine wollten ihm kaum gehorchen, es fühlte sich an, als wären plötzlich alle Kräfte aus seinem Körper gewichen. Er wusste, was das war: Todesangst. Er hatte sie verspürt, als der Schwede ihn auf dem Schiff gegen die
Weitere Kostenlose Bücher