Rendezvous mit einem Mörder
Mutter?«
»Ich weiß nicht. Ich kann mich nicht an sie erinnern. Vielleicht war sie tot. Vielleicht war sie wie Catherines Mutter und tat, als würde sie nichts merken. Ich sehe immer nur einzelne Bilder, durchlebe nur die schlimmsten Situationen ständig wieder in irgendwelchen Albträumen. Ich kenne noch nicht mal meinen richtigen Namen. Sie konnten mich nicht identifizieren.«
»Aber zumindest warst du sicher.«
»Du hast dieses System niemals durchlaufen. Dort gibt es kein Gefühl von Sicherheit. Nur Ohnmacht. Voller guter Absichten ziehen Sie dich dort aus bis auf die Haut.« Seufzend legte sie ihren Kopf gegen die Lehne und machte die Augen zu. »Ich wollte DeBlass nicht verhaften, Roarke. Ich wollte ihn umbringen. Auf Grund meiner eigenen Vergangenheit wollte ich ihn mit meinen eigenen Händen umbringen. Ich habe das Ganze zu einer persönlichen Sache werden lassen.«
»Du hast deinen Job gemacht.«
»Ja. Ich habe meinen Job gemacht. Und ich werde auch weiter meinen Job machen.« Aber jetzt dachte sie nicht an ihren Job. Sie dachte an ihr Leben. Ihr Leben und das Leben Roarkes. »Roarke, du musst wissen, dass ich ein paar schlechte Dinge in mir habe. Es ist wie ein Virus, das in einem herumschleicht und immer, wenn das Immunsystem geschwächt ist, zuschlägt. Es ist also sicher nicht besonders klug, auf mich zu setzen.«
»Ich habe eine Vorliebe für langfristige Wetten.« Er hob ihre Hand an seinen Mund. »Warum warten wir es also nicht ganz einfach ab? Warum versuchen wir nicht einfach herauszufinden, ob wir nicht vielleicht beide bei dieser Wette etwas gewinnen können?«
»Ich habe nie zuvor einem Menschen etwas davon erzählt.«
»Hat es dir geholfen?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht. Himmel, ich bin so furchtbar müde.«
»Du könntest dich ja ein wenig an mich anlehnen.« Er legte einen Arm um ihre Schultern und zog ihren Kopf an seine Brust.
»Nur einen Moment«, murmelte sie. »Bis wir in New York sind.«
»Nur einen Moment.« Er presste seine Lippen auf ihre kurzen, wirren Haare und hoffte, sie fände etwas Schlaf.
19
D eBlass sagte keinen Ton. Auf Grund des ihm von seinen Anwälten verpassten, fest sitzenden Maulkorbs gingen die Verhöre langsam und mühselig vonstatten. Es gab Momente, in denen Eve der Ansicht war, jetzt würde er endlich platzen, endlich würde der Zorn, der sein Gesicht beinahe lila färbte, die Waagschale zu ihren Gunsten neigen.
Sie leugnete nicht länger, dass sie es persönlich nahm. Sie wollte keine raffinierte, im Blitzlichtgewitter der Medien stehende Verhandlung. Sie wollte ein Geständnis.
»Sie hatten ein inzestuöses Verhältnis mit Ihrer Enkeltochter, Sharon DeBlass.«
»Mein Mandant hat diese Vorwürfe zu keiner Zeit bestätigt.«
Eve ignorierte den Einwurf des Anwalts und starrte reglos in DeBlass’ Gesicht. »Ich habe hier die Abschrift eines Auszugs aus einem von Sharon DeBlass’ Tagebüchern, mit Datum des Tages ihrer Ermordung.«
Sie schob das Blatt über den Tisch. DeBlass’ Anwalt, ein durchtrainierter, adrett gekleideter Mann mit einem ordentlich gestutzten, sandfarbenen Bart und milden blauen Augen, nahm es in die Hand und las es gründlich durch. Was ihm bei der Lektüre durch den Kopf ging, verbarg er hinter einer Maske kühlen Gleichmuts.
»Das hier beweist noch gar nichts, Lieutenant, und ich bin sicher, das ist Ihnen klar. Die destruktiven Fantasien einer toten Frau. Einer Frau von zweifelhaftem Ruf, die ihrer Familie bereits seit langer Zeit entfremdet war.«
»Es gibt ein eindeutiges Verhaltensmuster, Senator De-Blass«, wandte sich Eve ungerührt weiter an den Verdächtigen statt an seinen Fürsprecher. »Sie haben auch Ihre Tochter Catherine sexuell missbraucht.«
»Das ist einfach absurd«, platzte es aus DeBlass heraus, ehe sein Anwalt eine Hand heben konnte, um ihn zum Verstummen zu bringen.
»Ich habe hier eine vor Zeugen abgegebene und unterzeichnete Aussage der Kongressabgeordneten Catherine DeBlass.« Eve schob auch dieses Blatt über den Tisch, und der Anwalt riss es ihr beinahe aus den Fingern, ehe sich der Senator auch nur rühren konnte.
Er überflog die Aussage und faltete dann seine sorgsam manikürten Hände über dem Papier. »Vielleicht ist Ihnen nicht bekannt, Lieutenant, dass es eine unglückselige Geschichte geistiger Verwirrung in der Familie des Senators gibt. Seine eigene Frau steht gerade jetzt wegen eines Zusammenbruchs unter Beobachtung.«
»Darüber wissen wir Bescheid.« Sie bedachte den Anwalt
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