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Renner & Kersting 02 - Mordswut

Renner & Kersting 02 - Mordswut

Titel: Renner & Kersting 02 - Mordswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Schroeder
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Jawoll!«
    „Das ist eine prima Idee«, fand Johanna. „Dann können wir Pia-Maria auch morgen wieder zur Schule schicken.«
    „Wieder zur Schule? Wo der Hurensohn da noch rumläuft? Kommt nich in Frage. Außerdem denken die dann, es wär alles wieder in Butter. Nä, da muss ma wat Richtiges passiern, sonst tun die nix. Das kennt man doch. Faules Pack, diese Beamten.«
    Johanna wusste, dass ihr Kalle sich nicht eher beruhigen würde, bis die Beschwerde geschrieben worden war. Seufzend räumte sie den Tisch leer und riss dann ein Blatt Papier aus Pia-Marias Schreibblock. „Los, fang schon mal an. An wen willst du schreiben?«
    „Hm, am besten annen Chef, den ... den Kulturfritzen da oben. Wie heißt der noch?«
    Nach einigem Überlegen kamen sie zu dem Schluss, sich zunächst an das Schulamt zu wenden, da sie diese Adresse kannten.
    „Ha, die wern sich wundern, wenn der Kerl ihnen Feuer unterm Hintern macht. Von wegen, ich weiß von nix.«
    Pia-Maria hatte ihnen interessiert zugeschaut. „Was schreibst du?«, fragte sie.
    „N Brief annen Chef«, erklärte Kalle. „Da siehsse, wie wichtig es is, dasse schreiben lernst. Musst immer schön aufpassen inner Schule.«
    „Wann darf ich denn wieder hin? Hier ist es so langweilig.«
    „Morgen. Nicht wahr, Kalle, morgen kann sie doch wieder hin?«
    Der brummte nur und stärkte sich mit einem weiteren Schluck aus der Flasche.
     

13
    Am nächsten Morgen fehlte wie erwartet Nele Zenker in der Schule. Wieder einmal ärgerte Helga sich über den viel zu kleinen Raum. Am liebsten hätte sie einen Stuhlkreis gebildet, um mit den Kindern über sexuellen Missbrauch zu reden. Die typische Unterrichtsatmosphäre, wo sie vorne stand und die Kinder vor ihr saßen, empfand sie als unpassend. Doch den Aufwand, alle Tische an die Wand zu schieben, nur um eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen, erschien ihr ebenso unangemessen. Was tun? Sie musste schnell entscheiden. Die Kinder wurden unruhig. Kurzentschlossen befahl sie den in der Mitte Sitzenden mit ihren Stühlen so herumzurücken, dass sie die anderen anschauen konnten, sie selbst setzte sich irgendwo zwischen die Kinder. Die waren schon neugierig geworden. Solche umständlichen Aktionen startete die Lehrerin nur, wenn es etwas außerordentlich Wichtiges zu besprechen galt. Und das, was die Lehrerin für wichtig erachtete, stimmte nur selten mit der Prioritätenliste der Schüler überein. Es dauerte eine Weile, bis endlich alle Kinder so saßen, wie Helga es sich wünschte und noch länger, bis alle ruhig und aufmerksam waren. Dann hielt sie das Plakat hoch, das sie gestern Abend noch gemalt hatte. Es ging um angenehme und unangenehme Gefühle.
    „Wenn Mama besoffen ist und heult, das ist unangenehm.«
    „Unangenehm, das ist, wenn Papa rumbrüllt und Mama schlägt.«
    „Wenn ... wenn ...« Der Kleinste traute sich nicht und brauchte die zusätzliche Ermunterung durch die Lehrerin. „Wenn Mama sagt, dass sie mich nicht lieb hat ... dass sie mich eigentlich gar nicht haben wollte, das ist ... ist nicht schön.«
    Obwohl sie ähnliche Antworten erwartet hatte, war Helga wieder einmal schockiert. Was dachten sich diese Mütter und Väter eigentlich? Ahnten die überhaupt, welche Schäden sie ihren Kindern zufügten? Vermutlich nicht, und wenn, war es ihnen gleichgültig. Die Lehrerin hasste den Egoismus vieler Eltern auch deshalb, weil sie nicht wusste, wie sie damit umgehen sollte. Die Kinder erkannten oft schneller und besser als sie, dass Vorhaltungen genau das Gegenteil bewirkten, und hatten sie schon häufiger gebeten, mit den Eltern bloß nicht über Schläge, Alkoholkonsum und Gefühlskälte zu reden. Sie wussten auch genau, wie billig jede Art von Trost war. Und doch – trotz aller negativen Erfahrungen liebten sie ihre Mütter und hatten sich auf der Klassenfahrt die Augen ausgeweint, weil sie ihre Rabenmütter eine Woche nicht sahen. Aber so sind Kinder. Mit dem Verstand nicht zu begreifen.
    Vorsichtig und behutsam erzählte Helga ihnen, was Nele angetan worden war. Einige wussten sofort, was sie meinte. „Erwin steckt seinen Pimmel auch immer in Mamas Muschi. Und dann stöhnen sie ganz doll.«
    Zu dem Thema konnte jeder etwas beitragen. Meist in schmerzhafter Lautstärke. Als endlich wieder einigermaßen Ruhe herrschte, war es doch nicht so schwierig, wie Helga befürchtet hatte, den Kindern beizubringen, dass vieles, was für Erwachsene schön ist, für Kinder nicht unbedingt schön sein muss. Obwohl die

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