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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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verbeult. Die Kante des Einstiegslochs war abgerundet und blank gewetzt.
    Ich bückte mich und befühlte das Material. Es war hart und stumpf, aber ich hatte den Eindruck, als würde es unter genügend Druck nachgeben. Die Zahlen auf meiner Sichtanzeige sagten mir, dass die Bodentemperatur nur einhundertfünfzehn Grad über dem absoluten Nullpunkt lag. Der Chemosensor in meiner Handfläche analysierte die Bestandteile: vor allem Eisen, durchsetzt mit verschiedenen Kohlenstoffallotropen, für die es in seinem Speicher nichts Vergleichbares gab. Daneben waren fast alle anderen stabilen Isotope im Periodensystem in Spuren vorhanden, nur Silber fehlte seltsamerweise. Das waren allerdings nur Schlussfolgerungen, denn als der Sensor versuchte, eine mikroskopisch kleine Probe zu entnehmen, um sie genauer zu untersuchen, gab er eine Reihe von zunehmend hektischeren Fehlermeldungen ab und verstummte schließlich.
    Ich hielt ihn gegen meinen eigenen Anzug.
    Er funktionierte nicht mehr.
    »Reparieren«, befahl ich dem Anzug und gab ihm die Genehmigung für die Umleitung aller erforderlichen Ressourcen.
    »Probleme, Richard?«, fragte Childe.
    »Mein Anzug ist beschädigt. Eine Kleinigkeit nur, aber doch ärgerlich. Der Türm war offenbar nicht sehr angetan, als ich eine Probe von ihm entnehmen wollte.«
    »Verdammt. Ich hätte euch vermutlich darauf aufmerksam machen sollen. Argyles Leute hatten das gleiche Problem. Der Turm mag es nicht, geschnitten zu werden. Du bist wahrscheinlich mit einer freundlichen Warnung davongekommen.«
    »Sehr großzügig«, sagte ich.
    »Sei in Zukunft vorsichtig, ja?« Childe forderte alle anderen auf, ihre Chemosensoren bis auf weiteres zu deaktivieren. Hirz murrte, aber die übrigen fügten sich stillschweigend.
    Ich fuhr währenddessen fort, den Raum zu untersuchen, und pries mich glücklich, dass mein Anzug keine heftigere Reaktion hervorgerufen hatte. Die Wände bestanden offenbar aus dem gleichen harten, stumpfen Material wie der Boden, und sie waren völlig glatt. Nur an einer Stelle etwa einen Meter über dem Boden befand sich eine Tür, zu der drei blockförmige Stufen hinaufführten.
    Die Tür selbst war etwa einen Meter breit und schätzungsweise zweimal so hoch.
    »He«, sagte Hirz. »Spürt ihr das?«
    Sie hatte sich niedergekniet und drückte die Hand auf den Boden.
    »Vorsicht«, mahnte ich. »Das habe ich eben auch gemacht und …«
    »Ich habe das Chemodings ausgeschaltet, keine Sorge.«
    »Aber was …?«
    »Bückt euch doch selbst, dann merkt ihr es schon.«
    Langsam knieten wir alle nieder und berührten den Boden. Zuvor war er so kalt und tot gewesen wie der Boden einer Krypta, doch das war vorbei. Jetzt vibrierte er, als löste sich nicht weit von hier ein riesiger Motor in seine Bestandteile auf, oder als risse sich eine riesige Turbine aus ihrer Verankerung. Die Schwingungen bauten sich wellengleich auf und flauten wieder ab. Alle dreißig Sekunden kam es zu einem Höhepunkt. Es war wie ein tiefes, langsames Einatmen.
    »Es lebt«, sagte Hirz.
    »Eben war das noch nicht so.«
    »Ich weiß.« Hirz drehte sich um und sah mich an. »Das Scheißding ist nämlich eben erst aufgewacht. Es weiß jetzt, dass wir hier sind.«

Drei
     
     
    Ich trat vor die innere Tür und sah sie mir zum ersten Mal genauer an.
    Von den Ausmaßen her war sie beruhigend normal. Wir brauchten uns nur ein wenig bücken, um sie passieren zu können. Doch vorerst war sie noch mit einer glatten Metallplatte verschlossen, die vermutlich beiseite gleiten würde, wenn wir erst herausgefunden hätten, wie sie zu öffnen war. Der einzige Hinweis befand sich auf dem breiten Metallrahmen, auf dem schwach sichtbare geometrische Figuren eingeritzt waren.
    Ich hatte sie bisher nicht bemerkt.
    Die Figuren befanden sich zu beiden Seiten an den senkrechten Türpfosten. Von links unten angefangen folgten auf zwei Punkte – keine Kratzer, dazu waren sie zu glatt und rund – ein auf der Spitze stehendes gleichseitiges Dreieck, ein Fünfeck und dann ein Siebeneck. Rechts befanden sich drei weitere Figuren mit elf, dreizehn und zwanzig Seiten.
    »Und?« Hirz schaute mir über die Schulter. »Irgendein Geistesblitz?«
    »Primzahlen«, sagte ich. »Zumindest ist das die einfachste Erklärung. Die Ecken der Figuren auf der linken Seite entsprechen den ersten vier Primzahlen: Zwei, Drei, Fünf und Sieben.«
    »Und auf der anderen Seite?«
    Childe übernahm die Antwort. »Die elfseitige Figur ist die nächste in der Reihe.

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