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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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vielleicht einen Versuch wert«, schlug Lukastik vor, »Sternbach verstehen zu wollen.«
    »Verschonen Sie mich«, wehrte der Major ab, um dann die Frage nach dem Hai zu stellen.
    »Sternbach hat sich leider Gottes geweigert, darüber zu reden. Ich denke, er wollte etwas in den Tod mitnehmen. Jeder Mensch will das. Seit jeher. Und Egon Sternbach hat sich nun mal für das Geheimnis entschieden, wie es ihm gelingen konnte, einen Haiangriff zu provozieren. Oder nachzustellen. Oder was weiß ich.«
    »Seit wann genügt es Ihnen, sich mit einem Geheimnis abzufinden?«
    »Ich habe nicht gesagt, ich bin zufrieden.«
    »Na, wir werden das schon irgendwie hinkriegen«, meinte der Major. »Nicht, daß etwas vertuscht werden soll. Keinesfalls. Aber wenn wir die Existenz dieses Hais nicht begründen können, wird es vielleicht besser sein, sich nicht allzusehr darauf zu versteifen, daß es ihn überhaupt gibt, den Hai. Wir haben den Mörder, das ist das wichtigste.«
    »Mir kommt es vor«, sagte Lukastik, »als wären Sie nicht ganz unglücklich über Sternbachs Freitod.«
    »Um ehrlich zu sein, Kollege Lukastik, es ist mir lieber, Herr Sternbach ist tot als in Ungarn.«
    »Können wir Ungarn nicht einfach vergessen?« sprach Lukastik und faltete seine Hände zu einer flehentlichen Geste.
    »Natürlich«, sagte Albrich. Und ergänzte: »Denn bei aller berechtigten Kritik muß ich zugeben, daß wir es Ihnen, Lukastik, verdanken, keine achtundvierzig Stunden gebraucht zu haben, des Täters habhaft zu werden. So tot er sein mag. Ein paar offene Fragen sind da nicht von Belang.«
    »Was ist mit dem Berater des Bürgermeisters?« fragte Lukastik, in Erinnerung an den ehrgeizigen Verteidiger der Pressefreiheit.
    »Wurde zurückgepfiffen. Keine Haigeschichte in Wien. Es reicht, wenn von einer grausig verstümmelten Leiche die Rede ist. Wir haben ein namentliches Opfer, einen namentlichen Täter, und wir haben etwas, das man mit ein bißchen gutem Willen als Motiv verkaufen kann. Es gibt also nichts, was uns daran hindert, noch in dieser Nacht an den Rückmarsch zu denken.«
    Lukastik erklärte nun, daß die Leiterin des Sanatoriums ihm ein Zimmer im Hotel zur Verfügung gestellt habe. Und dieses Zimmer wolle er jetzt auch nutzen. Es genüge ja, wenn er am nächsten Morgen die Heimreise antrete.
    »Wie Sie wollen«, sagte der Major, froh um den Hubschrauber, der sich mit dem Geräusch kurzer, rascher Peitschenschläge näherte, um auf einer von Hecken umrahmten ebenen Fläche niederzugehen. Der Major haßte es richtiggehend, auswärts zu übernachten, weshalb ihn die Aussicht versöhnte, spät, aber doch in die Geborgenheit eines ehelichen Bettes einzutauchen und die Wärme einer Frau zu spüren, die er nicht unbedingt anzufassen brauchte, um sich wohl zu fühlen. Das eigene Bett hatte etwas von jener Opernloge, in der er so gerne mit irgendeinem lieben Menschen saß.
    »Schlafen Sie sich aus«, empfahl der Major seinem Untergebenen. »Wir sehen uns dann morgen abend im Büro. Ich möchte mit Ihnen besprechen, wie wir den Fall in der Öffentlichkeit präsentieren.«
    »Ungern«, sagte Lukastik, bekanntermaßen ein Feind der Journalistik, die er für ein Abfallprodukt der Literatur hielt, so wie ihm etwa die Medizin als ein Abfallprodukt der Religion erschien. Jedenfalls begegnete er auf seinen Pressekonferenzen den Vertretern der Medien mit unverhüllter Verachtung, ignorierte Fragen, die ihm zu dumm waren, oder stellte Gegenfragen. Auch verwendete er Fremdwörter, die er eigens für solche Zwecke einstudierte und die kaum jemand verstand. Er setzte der Presse ein kompliziertes Menü vor und zitierte immer wieder mal Wittgenstein, was zu den allergrößten Verwirrungen führte. Dennoch – oder genau darum – wurden Lukastiks Pressekonferenzen geradezu gestürmt. Er galt als unsympathisch, aber untadelig, als durchtrieben und verrückt. Und er galt – möglicherweise vollkommen zu Unrecht – als ein guter, wenn nicht perfekter Kriminalist. Der Major saß zumeist schweigend daneben, als wolle er die Anwesenden daran erinnern, daß auch hinter Lukastik der polizeiliche Apparat mit seinen Regeln und Weisungen, seinen Hierarchien und verordneten Strategien stand.
    Lukastik und der Major gaben sich die Hand. Gleichzeitig brachte der Luftwirbel des aufsetzenden Helikopters beider Frisuren in beträchtliche Unordnung. Ein Wort zu wechseln war nun unmöglich. Die Stille dieser Nacht zersplitterte endgültig. Lukastik griff sich erneut an die

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