Riley Jenson 01 - Die Mondjägerin
Jimmy, der riesige Türsteher, ein Mischling aus Mensch und Löwe, grinste mich an und zeigte dabei sein recht lückenhaftes Gebiss. Vor einigen Wochen hatte er bei einer Auseinandersetzung einen Großteil seiner Zähne verloren und betrachtete das offenbar als Auszeichnung. Was durchaus verständlich war, denn immerhin hatte er ganz allein drei Werwölfe überwältigt.
»He, Riley!«, polterte er. »Dachte, wir würden dich diese Woche erst später sehen.« »Ich suche Rhoan – weißt du, ob er hier vorbeigekommen ist?« Jimmy schüttelte den Kopf mit der schweren Mähne. »Meine Schicht hat aber eben erst angefangen. Er könnte vorher hier gewesen sein.« »Was ist mit Davern oder Liander?« Das waren Freunde, die mein Bruder regelmäßig traf, Männer, mit denen er seit über zwei Jahren zusammen war. Er hatte auch Gelegenheitsbekanntschaften, aber wenn irgendjemand wusste, wo Rhoan war, dann einer von den beiden.
»Den Überwachungskameras nach ist Davern seit heute Morgen hier. Liander geht sonntags normalerweise ins Rocker.« »Danke.« Ich zahlte den Eintritt und nahm einen Schließfachschlüssel. »Wie ist die Mischung heute Nachmittag?« Er zuckte mit den Schultern. »Das Übliche.«
Was so viel hieß wie, dass sich unter vielen Werwölfen vereinzelte Vampire und Gestaltwandler fanden. Er öffnete die Tür. »Ich hoffe, du ziehst dich noch um. Du kennst ja die Hausordnung.« Ich tätschelte seine Hand. »Natürlich. Ich gehe zuallererst in die Umkleide.«
Er nickte und schloss die Tür hinter mir. Ich blieb oben an der Treppe stehen und wartete, dass sich meine Augen an die Finsternis gewöhnten. An der tiefblauen Decke funkelten Hologrammsterne, und der blaue Mond leuchtete schwach gegen sie an. Um die gut gefüllte Tanzfläche herum waren Tische und Stühle aufgebaut, an denen meist Werwölfe saßen, die sich entweder gerade paarten oder anderen beim Paaren zusahen. Im hinteren Bereich des Raumes gab es Nischen mit Vorhängen für diejenigen, die beim Sex etwas mehr Privatsphäre bevorzugten. Auch die waren besetzt. Gegen Ende der Woche, wenn der Mond unser Blut so richtig in Wallung brachte, würden sie vor den Nischen Schlange stehen.
Die meisten auf der Tanzfläche waren nackt, einige bevorzugten etwas Exzentrischeres. Sie trugen hautenge Lederanzüge oder ausgefallene Verkleidungen, die im Licht des Hologramm-Mondes glitzerten und funkelten. In der anderen Ecke saß ein DJ und beschallte den Raum mit erotischer Musik, die anregend wirken sollte. Es roch intensiv nach Wollust und Sex, und in meinem Körper erwachte die Lust. Ich hoffte nur, dass ich sie so lange unter Kontrolle halten konnte, bis ich Rhoan gefunden hatte.
Doch angesichts des heftigen Fiebers konnte ich das nur, wenn ich mir ein bisschen Erleichterung verschaffte. Zu schade, dass Quinn nicht bei mir war. Ich runzelte die Stirn und schob den Gedanken beiseite. Bis ich nicht deutlich mehr über diesen mysteriösen Quinn wusste und warum er meinen Bruder treffen wollte, durfte ich ihn eindeutig nur aus der Ferne begehren.
Ich ging die Stufen hinunter zu den Umkleidekabinen. Nachdem ich kurz geduscht hatte, um den Geruch von Vampir und Arbeit loszuwerden, zog ich meine Clubkleidung an und schminkte mich. Dann band ich meine langen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen, verstaute die Tasche im Schließfach, steckte meine Kreditkarte und den Schlüssel in die kleine Tasche meines Rocks und begab mich ins Getümmel.
Auf der Tanzfläche mischte sich lustvolles Stöhnen und das Geräusch von aneinanderklatschenden nackten Körpern mit den sinnlichen Klängen der Musik. Das Fieber in mir stieg um einige Grade, und die Lust, die ich heute Morgen bei Quinn ansatzweise gespürt hatte, brach sich nun vollends Bahn.
Ich sehnte mich sehr danach, mit dieser wollüstigen, schwitzenden Menge zu verschmelzen, beherrschte mich jedoch. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Davern musste hier irgendwo sein, und ich musste ihn finden.
Ich drehte eine Runde um die Tanzfläche und ließ meinen Blick über die Tische vor der Wand schweifen. Davern saß weiter hinten in der Nähe der Nischen. Er war jedoch nicht allein, und ich wollte ihn nicht unterbrechen. Wölfe, insbesondere Männer, konnten dann äußerst brutal werden.
Ich nahm ein Getränk vom Tablett einer vorbeikommenden Bedienung. Das Personal bestand aus Nichtmenschen, die komplett geblockt waren. So konnten sie sich nicht nur verteidigen, wenn es brenzlig wurde, sondern blieben auch völlig
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