Ringwelt 05: Crashlander
Die dunkelblaue Farbe an den Spitzen der Pflanzen wich zum Stengel hin helleren Farbtönen. Kein Wunder, daß die Viehherden eine deutliche Spur hinterlassen hatten.
Die Gestalt vor dem großen Kuppelzelt trug eine Schutzbrille und eine schwere Betäubungsflinte. Bis wir aus unserem Wagen ausgestiegen waren, hatte er das Gewehr aufgeklappt und mit zollangen Betäubungsgeschossen geladen. Die Geschosse konnten einzeln oder auch in Salven von je zwanzig Stück verschossen werden, und sie lösten sich innerhalb von Sekundenbruchteilen in allem, das auch nur entfernt nach Blut aussah. Eines der zahlreichen Betäubungsmittel war üblicherweise für jede Lebensform auf einer gegebenen Welt geeignet.
Der Mann machte sich nicht die Mühe aufzustehen, als wir uns näherten. Genauso wenig, wie er das Gewehr absetzte. »Hallo«, sagte er fröhlich. »Was kann ich für die Herrschaften tun?«
»Wir würden gerne …«
»Beowulf Shaeffer?«
»Jepp. Larch Bellamy?«
Jetzt endlich stand er auf. »Man erkennt nicht einmal seine Freunde auf dieser verrückten Welt. Die verdammte Brille verdeckt das halbe Gesicht, und alle tragen die gleichen Farben … man muß schon splitterfasernackt gehen, um erkannt zu werden – und selbst dann erkennen dich nur die Frauen, die du kennst … Was zur Hölle machst du denn hier auf Gummidgy, Beo?«
»Das erzähle ich dir später. Larch, das hier ist Emil Horne. Emil, darf ich dich mit Larchmont Bellamy bekannt machen?«
»Ist mir ein Vergnügen«, sagte Bellamy und grinste, als wäre es ihm tatsächlich eins.
Dann sah es so aus, als wolle sein Grinsen in Gelächter umschlagen, doch er fing sich rasch. »Laßt uns nach drinnen gehen und die Kehlen befeuchten.«
»Was war denn gerade so lustig?«
»Bitte fassen Sie das nicht als Beleidigung auf, Mister Horne, aber Sie und Beo bilden ein seltsames Paar. Mir kam gerade der Gedanke an Pat und Patachon. Ein großer Medizinball neben einer etwas dickeren Bohnenstange. Wie haben Sie sich kennen gelernt?«
»An Bord des Schiffes, mit dem wir hergekommen sind«, antwortete Emil.
Das Kuppelzelt besaß eine faltbare Drehtür, um den Luftdruck im Innern zu halten. Das Innere war fast luxuriös ausgestattet, obwohl es sich so gut wie ausnahmslos um zusammenklappbares Mobiliar handelte. Die Sessel und Sofas besaßen weiche, kuschelige Oberflächen und hielten ihre Form durch isolierte elektrische Ladungen. Die Tische bestanden aus Memorykunststoff. Wahrscheinlich konnte man sie zu kleinen Würfeln zusammenlegen, um sie an Bord der Jacht zu verstauen. Die Bar war ebenfalls tragbar: ein schwebendes Modell, das uns bereits am Eingang abfing, unsere Bestellungen entgegennahm und uns schließlich mit Drinks versorgte.
»Also dann«, sagte Bellamy und ließ sich in einen Lehnsessel fallen. Wenn er sich entspannte, dann entspannte er sich vollkommen. Wie eine Katze. Oder ein Tiger. »Beo, was hat dich denn nach Gummidgy verschlagen? Und wo steckt Sharrol?«
»Sie kann nicht durch den Weltraum reisen.«
»Oh? Das wußte ich nicht. Aber das kann jedem passieren.«
Doch an seinen Augen erkannte ich, daß er meine Worte bezweifelte.
»Sie wollte Kinder. Wußtest du das? Sie wollte von Anfang an Kinder.«
Er musterte meine roten Augen und weißen Haare. »Ich … ich verstehe. Also bist du fortgegangen.«
»Für den Augenblick zumindest, ja.«
Seine Augen zweifelten noch immer.
Sie sahen nicht mitfühlend aus. Irgendetwas war mit Bellamys Augen … Er besaß einen schlanken Leib und ein schmales Gesicht mit einer geraden, scharfen Nase und vorstehenden Wangenknochen, die seine in tiefen Höhlen liegenden dunklen Augen unter den buschigen Brauen noch mehr betonten.
Doch es waren nicht nur einfach Augen. Man kann das Alter eines Mannes nicht nach einem Foto abschätzen, jedenfalls nicht, wenn er Boosterspice nimmt. Doch man kann es – bis zu einem gewissen Grad jedenfalls –, wenn man seine Bewegungen aufmerksam beobachtet. Ältere Männer wissen, wohin sie gehen, noch bevor sie Anstalten machen aufzustehen. Sie schwanken nicht, vergeuden keine Energien, stolpern nicht über die eigenen Füße und stoßen sich nicht an Möbeln.
Bellamy war alt. Er besaß eine merkwürdige Kraft in sich, und seine Augen zweifelten.
Ich zuckte die Schultern. »Wir suchten nach der besten Lösung, die wir finden konnten, Larch. Er ist ein guter Freund, und sein Name lautet Carlos Wu. Du hast von ihm gehört?«
»Der Mathematiker, oder?«
»Ja. Außerdem ist Carlos
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