Ringwelt 06: Flatlander
Garner ein Junge war, wäre dieses Hackern noch vom elektrischen Stuhl gekommen.«
»Dem was?«
»Vergiß es.«
»Leg dich wieder hin.« Sie machte sich an meinem Unterleib zu schaffen. »Ich verstehe nicht ganz, warum du so unglaublich aufgewühlt bist. Ich dachte immer, sie hätte nicht einmal mit dir geschlafen?«
»Hat sie auch nicht. Bis auf ein einziges Mal.«
»Wann?«
»Gegen zwei Uhr heute Morgen.«
Ich war nicht wenig verblüfft gewesen, als Naomi das Thema zur Sprache brachte. »Ich hatte gedacht, Sex wäre das letzte, wonach dir ist.«
»Aber es ist unsere letzte Chance. Es sei denn, du wartest sechs Monate und kaufst die entsprechenden …« Sie verstummte entsetzt.
»Das finde ich nicht lustig«, sagte ich.
»Nein. Tut mir leid.«
»Vielleicht möchtest du lieber, daß ich dich in den Armen halte? Dich an mich kuscheln?«
»Nein.« Sie war in Sekundenschnelle ausgezogen. Das federleichte Kleid schwebte durch die Luft auf die Klimaanlage zu, und ich griff danach und legte es neben das Bett. Dann drehte ich mich zu ihr um. Ich hatte sie niemals zuvor nackt gesehen. Es verschlug mir den Atem. Ich ertappte mich bei dem Gedanken: Wo warst du vor zehn Jahren, als ich dich so verzweifelt gebraucht habe? und ich schämte mich dafür.
Sie öffnete eine Schublade im Nachttisch und nahm eine Tube mit Gleitmittel hervor. Sie war frigide; sie rechnete damit, frigide zu sein – und bewahrte das Gleitmittel immer griffbereit auf. Das war ganz normal für Naomi.
Ich schaffte es nicht, sie zum Orgasmus zu bringen. Sie täuschte ihn sehr gut vor … außerdem: War ich dem Gil Hamilton von vor zehn Jahren nicht etwas schuldig? Hätte der Gil Hamilton von damals nicht einen Hoden für eine Nacht wie diese gegeben? Ich zwang mich dazu, es zu genießen.
Nach der Liebe ging ich dazu über, sie zu massieren. Taffy hatte mich zu massieren gelehrt, sowohl sinnlich als auch therapeutisch. Ich brachte es fertig, Naomi ein wenig zu entspannen. Sie lag auf dem Rücken und starrte an die Decke, während ich ihre Hände bearbeitete. Plötzlich sagte sie: »Ich hätte so gerne noch ein weiteres Kind gehabt.«
»Aber du hast doch gesagt …«
»Ist mir doch egal, was ich gesagt habe!« Plötzlich war sie wütend. Ich drehte sie auf den Bauch und bearbeitete ihren Rücken, bis sie sich wieder beruhigt hatte.
Wir liebten uns. Oder besser: Ich liebte sie. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Ein weiteres Mal versuchte ich es nicht. Ich erzählte Geschichten aus meiner Zeit im Belt, sie erzählte von ihrer Zeit am College. Sie fragte mich über mein Leben als ARM aus und schnitt mir das Wort ab, als ich über Organpascher zu reden anfing.
Und sie blickte immer wieder auf die Uhr.
»Wie spät ist es?«
»Null-acht-zehn«, antwortete Taffy.
»Zeit, zur Konferenz zu gehen.«
»Du bist ein hoffnungsloser Fall«, entgegnete sie. »Ich rufe sie an und sage ihnen, daß du vielleicht zur Nachmittagssitzung kommst.«
»O nein. Das kann ich selbst. Schließlich habe ich einen Ruf zu verteidigen.« Ich stand auf. »Chiron …«
»Dann zieh dir wenigstens vorher etwas an«, sagte sie scharf.
Ich erreichte Bertha Carmody – ich und mein Glück – und erzählte ihr, was vorgefallen war. Danach setzte ich mich zurück aufs Bett, ließ mich hintenüber sinken und fand meinen Kopf in Taffys Schoß wieder.
Ich erwachte halb, als der Schoß durch ein Kopfkissen ersetzt wurde.
Dann irgendwann meldete Taffys Telefon: »Es ist Zeit zum Aufwachen, Mrs. Grünes. Zwölf-null-null. Es ist Zeit zum Aufwachen.«
Ich befahl Chiron, das Gerät abzuschalten, doch er gehorchte mir nicht. Ich war nicht zu Hause. Fluchend rollte ich mich aus dem Bett. Ich hätte den Apparat zertrümmern sollen. Oder vielleicht doch zur morgendlichen Sitzung gehen …
8.
DAS ANDERE VERBRECHEN
An diesem Morgen des vierten Sitzungstages begannen sie endlich, sich konkret über die einzelnen lunaren Gesetze zu unterhalten. Naomi oder nicht Naomi, ich hätte dort sein sollen. Als Bertha Carmody die Mittagssitzung einberief, konnte ich nicht mehr tun als lauschen und zu verstehen versuchen, worüber sie so heftig stritten.
Fakt: Die Todesstrafe auf dem Mond stand auf Verbrechen wie Mord, versuchten Mord, Totschlag, Vergewaltigung, bewaffneten Raub, Diebstahl einschließlich Betrug oder Vertrauensbruch sowie Tätlichkeiten. Eine ähnliche Liste der ARM hätte noch viele weitaus geringere Vergehen mit eingeschlossen, aber …
Was alles wurde unter
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