Ringwelt 06: Flatlander
hätte ich mit Sicherheit nicht übersehen.«
»PSI-Kräfte sind für ihre Unzuverlässigkeit bekannt«, entgegnete sie.
Ich reagierte nicht beleidigt, denn sie hatte im Grunde genommen recht. »Ich kann mich auf meine in der Regel verlassen. Sie haben mir mehr als einmal das Leben gerettet. Ich besitze nur eine zu kleine Reichweite, das ist alles.«
»Erzählen Sie mir mehr.«
Also erzählte ich ihr eine Geschichte, und wir verzehrten die Birne und unseren Imbiß, und Stille senkte sich herab.
Taffy und ich führten nicht genau das, was man eine Ausschließliche Beziehung nennt. Aber Taffy und ich und Harry McCavity, ihr Lunie-Chirurg, und Laura Drury, meine Lunie-Polizistin, wir führten eine Ausschließliche Beziehung, und Taffy und ich waren sozusagen verlobt, und wir wollten eines Tages Kinder zeugen. Früher gefiel es mir, ein kompliziertes Liebesleben zu führen, doch das hatte für mich in letzter Zeit mehr und mehr an Bedeutung verloren. Und deswegen beunruhigte mich das Schweigen meiner dunklen Begleiterin mehr und mehr, und ich sagte, nur um die Stille zu durchbrechen: »Vielleicht ist sie vergiftet worden.«
Hecate lachte auf.
»Was, wenn Sie jemanden ermorden, ihn gefriertrocknen und anschließend drei Kilometer weit durch die lunare Gravitation schleudern? Sie würden niemals damit rechnen, daß man die Leiche findet, ganz bestimmt nicht im Del-Rey-Krater … aber wenn doch …«
»Wie denn schleudern? Vielleicht mit einem kleinen transportablen Massetreiber auf dem Ringwall?«
»Verdammt!«
»Hätten Sie Verletzungen entdeckt?«
»Vielleicht.«
»Und danach soll sie Fußabdrücke hinterlassen haben?«
Und noch einmal verdammt! »Wenn wir die Spezifikationen unserer Massetreiber hätten, dann wüßten wir, wie genau sie arbeiten. Vielleicht waren ja die Fußabdrücke schon da, und der Mörder schoß die Leiche einfach an die Stelle, wo sie aufhörten? Andererseits gibt es keine transportablen Massetreiber.«
Hecate lachte. »Also schön, Gil. Wer hat die Fußabdrücke hinterlassen?«
»Die Frage stelle ich Ihnen.«
»Sie ist selbst hineingelaufen«, sagte Hecate. »Der Trick bestand darin, sämtlich Fußspuren des Hinwegs hinter sich zu verwischen.«
»Vielleicht mit Luft aus dem Sauerstofftank?«
»So viel Sauerstoff hat kein Lemmy an Bord. Vielleicht ein richtiges Raumschiff. Ein richtiges Raumschiff könnte die gesamte Gegend mit dem Raketenmotor bestreichen … aber Gil, ein Raumschiff hätte auch einfach im Krater landen können, die Frau nach draußen stoßen und wieder verschwinden. Das haben Sie selbst gesagt!«
Ich nickte. »Allmählich sieht es tatsächlich ganz danach aus. Außerdem, warum sollte jemand zu Fuß in den Del-Rey-Krater laufen?«
»Was, wenn der Mörder der Frau glaubhaft gemacht hat, daß sie einen radioaktiven Schild trägt?«
Richtig. Es gab einfach zu viele Möglichkeiten. »Was, wenn im Del Rey etwas Wertvolles versteckt war? Die Beute aus einem Bankraub, oder eine Disk mit den Konstruktionsplänen geheimer ARM-Waffen?«
»Eine Karte mit den geheimen Gewölben unter der Marsoberfläche.«
»Ein Lemmy landet, um die Beute zu bergen. Ein Lemmy ohne Kopilot an Bord startet wieder.«
»Wie lange ist es her? Wenn es vor vierzig oder fünfzig Jahren geschah, hätte der Lemmy nicht einmal einen Shreveschild besessen. Es wäre der reinste Selbstmord gewesen.«
Womit das Zeitfenster ein wenig keiner geworden war. Hmmm …
»Ich habe noch nie eine Ausschließliche Beziehung geführt«, sagte Hecate Bauer-Stanson unvermittelt.
»Nun ja, es ist leichter, wenn man zu viert ist. Und weil wir alle ständig unterwegs sind, wird das Zusammentreffen selbst zu einer Art Hobby.«
»Vier?«
Ich stand auf. »Hecate, ich muß schon wieder zum Recycler.«
»Und auf mich warten wahrscheinlich schon wieder neue Nachrichten.«
Die Telefone meldeten Nachrichten für Hecate und für mich. Sie nahm ihre Anrufe entgegen, während ich den Recycler benutzte. Als ich zurückkehrte, bedeutete sie mir nachdrücklich, zu ihr zu kommen. Ich stellte mich schräg hinter sie.
»Ich bin Konstablerin Hecate Bauer-Stanson«, sagte sie.
Der Automat sagte: »Bitte warten Sie, ich verbinde mit Maxim Shreve.«
Maxim Shreve saß in einem diagnostischen Stuhl, einem bequemen Reisestuhl mit verlängerter Rückenlehne, angepaßt an die Körpergröße eines Lunies. Alt und krank, schätzte ich. Hält sich nur noch durch reine Willenskraft auf den Beinen. »Konstablerin Bauer-Stanson, wir
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