Rost
ein
Stück südlich davon die drei Brücken Richtung Charleroi, und hinter diesen
Brücken konnte er grad noch die Kräne an der Staustufe erkennen. Lastkähne
lagen dort eingekeilt, in Warteschlange für die Schleuse.
Das liegt alles hinter mir, dachte er, nordwärts kommt jetzt nur
noch Wald. Die Sonne strahlte hell, er spürte sie auf seiner Haut, kribbelnd
wie Finger, die ihn streichelten, er wollte es nicht zulassen, jetzt einzuschlafen,
so ein herrliches Gefühl. Am anderen Ufer angelten vier Männer, irgendetwas war
mit ihnen, wie sie dort saßen, das fiel selbst quer über das Wasser auf, er
döste. Menschenfischer. Als er aufwachte, lag er im Schatten, und die Sonne,
die über den Fluss gewandert war, stand tief über den Hügeln westlich, und die
Fischer waren weg. Der zweite Tag, den du verschlafen hast. Du könntest dir
einfach ein Busticket besorgen, dachte er, schlafen und dabei zugleich vorankommen.
Klar – doch die Spur, die du so hinterlässt, verrät dein Ziel. Auf dem
Rangierbahnhof müsste er sowieso wen fragen, rausfinden,welcher Zug
Richtung Süden oder Westen fuhr. Das war auch besser als der Ticketkauf. Er sah
in seinem Portemonnaie nach, immer noch knapp zweiundzwanzig Dollar plus die
fast viertausend in dem Umschlag, der in seiner Cargohose steckte.
Zu Fuß weiter, seine Beine waren steif geworden, als er schlief, er
kam kaum vorwärts. Lange nach dem Dunkelwerden kam er unter der Mon-City-Brücke
durch, die Bahnlinie durchquerte eine ausgedehnte Industriezone voll Lagerhäuser,
hell erleuchtet, er marschierte an der Baumlinie, am Rand des Lichts entlang,
vorbei an Dutzenden alter Container, einem Haus, das Richtung Wasser wegsackte,
an Sattelschleppern, die mit platten Reifen und verwittertem Lack dastanden. Am
andern Flussufer lagen Mon City und New Eagle, ebenfalls erleuchtet, er war
froh, nicht auf derselben Flussseite zu sein. Vor ihm erstreckte sich ein
dunkles Stück durch dichten Wald, die glattpolierten Gleise fingen selbst das
bisschen Licht ein, das die schwach schimmernden Sterne abstrahlten. Kaum lief
er durch den Schatten, fühlte er sich wieder sicher. Ein paar Eulen riefen,
doch sonst war es still bis auf die eigenen Schritte und das Puckern eines
Schleppers und der Frachtkähne. Er dachte, dass er hätte durstig sein müssen,
aus irgendeinem Grund war er es aber nicht. Er brauchte ein Behältnis für sein
Wasser.
Gegenüber stieg am Ufer eine riesenhafte Wolke aus Rauch und Dampf
auf, aus dem West-Penn -Kraftwerk, mit hundert Meter
hohen Schloten und einer Rauchfahne, die hell vor dem Nachthimmel stand, dunkle
Kohlehalden gleich daneben, beinahe kleine Pyramiden. Auf dem Fluss kamen und
gingen ein paar Dutzend Lastkähne. Wenige Kilometer später folgte dann das
Kraftwerk von Elrama, wieder gegenüber, das noch größer war und gut beleuchtet
von den gelben Natriumlampen, der Hauptschornstein vielleicht hundertfünfzig
Meter hoch, die Dunstschwaden verdeckten einen ganzen Teil des Himmels, sauber-weiß
aussehend. Nur dass Kohle da verbrennt, dachte er. Das ist niemals sauber. Kurz
danach kam er durch einen dunklenBergwerkskomplex mit Rangierbahnhof und
großer Kohlenkipphalde, der Boden war rußschwarz davon, die Kohle knirschte
unterm Fuß. Unendlich viele Güterwaggons standen voll beladen auf den Gleisen,
leere Lastkähne lagen vertäut an ihren Landestellen. Bald darauf gelangte er zu
einem Industriepark, wiederum beleuchtet, und damit er nicht gesehen wurde,
schnitt er hügelaufwärts Richtung Wald ab, weg vom Fluss, bis er auf eine
dunkle Straße kam, die parallel verlief.
Da war ein kleiner finsterer Weiler, eine Feuerwehrstation, leer,
für die Nacht geschlossen. Ein paar Häuser, Swimmingpools im Garten, hier und
dort eine beleuchtete Veranda, sonst war es stockdunkel. Auf der Straße
herrschte Stille, und er konnte gut die Sterne sehen. Ein paar Grundstücke
weiter brannte ein Lagerfeuer bei einem der Häuser, mit zwei Dutzend Leuten
etwa, die herumstanden und tranken, das war schon der ganze Ort. Gerade wollte
einer in ein Schwimmbad springen, an der weißen Haut erkannte er, dass sie
nichts anhatten, obwohl es draußen kalt war. Mit gesenktem Kopf versuchte er
zügig vorbeizukommen, aber man bemerkte ihn.
»Hey«, brüllte einer, der am Feuer saß. »Komm her und trink ein Bier
mit uns.«
Er ignorierte sie, aber sie riefen weiter. Isaac winkte, den Kopf gesenkt,
und hoffte, dass er bald schon außer Sicht wäre.
»Wer ist denn das, zum Teufel«, hörte er
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