Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)
Bedenas merkwürdiges Verhalten.
Aber nach einiger Zeit kommt Bedena doch. Wie ein trügerischer Regen, der mitten im Juli an die Fenster prasselt. Sie öffnet die Tür, und bevor sie die auf dem Quilim sitzenden Schwestern begrüßt, sagt sie zu Saba:
»Gut gemacht, Schwester, gut gemacht. Es wird Zeit, dass alle hier erfahren, bei wem sie an dir sind.«
»Die da«, fährt sie an Esma und Afrodita gewandt fort, »hat Lisa, Lisa der Peppina, in der Kaufhalle von Kaltra eine Stelle verschafft. Die Ärmste kann schließlich nicht mit uns auf den Feldern arbeiten … Lisa mit ihrer zarten Haut ist nicht wie wir Bauersleute. Jetzt ist sie auf der sicheren Seite, dank meiner Schwester. Was soll’s, manche setzen sich ins gemachte Nest, andere werden im Leben eben stiefmütterlich behandelt, so wie ich, ihre Schwester. Möge die Milch, die wir beide getrunken haben, dir zu Haram gerinnen!«
Die beiden anderen Schwestern verstehen nicht ganz. Afrodita will schon seit Jahren nicht mehr verstehen, und Esma, flatterhaft wie sie ist, hört Bedena nicht einmal zu.
»Komm«, sagt Saba versöhnlich, ohne die üble Verwünschung zu beachten, »sei nicht verärgert. Ich konnte ja schlecht dich vorschlagen, du bist schließlich meine Schwester. Wie hätten wir vor den anderen dagestanden? Und außerdem bist du nicht mal zur Schule gegangen …«
»Du hättest wenigstens deinen Mund halten können, verstanden? Deinen Mund hättest du halten können. Wie bist du überhaupt auf Lisa gekommen? Kein normaler Mensch würde auf die Idee kommen, die Peppina in unserem Laden verkaufen zu lassen. Bin ich der Schulpflicht etwa schlechter nachgekommen als die anderen? Wir haben alle dieselben Abendkurse besucht, alle, außer die Peppina … und du, natürlich. Aber lassen wir deine Schulbildung aus dem Spiel. Letztlich bist du da nur hingegangen, um unserem Bruder das Mittagessen zu bringen, wer hätte dich sonst zur Schule geschickt …«
Esma schminkt sich sorgfältig die Lippen nach und schaut dabei in den silbernen Spiegel, den sie aus ihrer schwarzen Ledertasche gezogen hat. Das macht sie immer so. Sie kommt vor den anderen, mit ihrem Sonnen- oder Regenschirm, je nachdem welche Jahreszeit gerade ist. Kaum sitzt sie, öffnet sie die Handtasche, holt den Silberspiegel und den dazu passenden Lippenstift heraus. Dann ist es Zeit für den Kaffee, und Esma, die wie keine Zweite im Kaffeesatz lesen kann, muss sich mit den Schicksalen ihrer Schwestern abplagen. Sie wirft einen Blick auf den Grund der Tasse und sagt dir alles, wirklich alles: Die Zukunft steht dort geschrieben, und es gibt nichts, was ihren wachsamen Augen entgeht. Hochzeiten, Schwangerschaften, Tod, jede Freude und jeder Schmerz, sie kann sogar genau den Zeitpunkt sehen, zu dem die Dinge geschehen werden. Sie kann allen die Zukunft voraussagen, außer sich selbst. Aber jetzt ist es noch nicht Zeit für den Kaffee. Esma steckt den Lippenstift zurück in die Tasche und fragt Bedena:
»Hab ich irgendwas nicht mitbekommen? Warum stehst du hier rum? Nimmst du heute nicht an unserem Treffen teil?«
»Noch so eine. Hat meine Mutter denn alle Schwachköpfe dieser Welt geboren? Statt deinen roten Mund im Dorf zur Schau zu stellen«, sagt Bedena zu Esma, »solltest du lieber deiner Schwiegermutter und deinen Schwägerinnen zur Hand gehen …«
»Jetzt bin ich dran«, sagt Afrodita herausfordernd. »Alle haben ihr Fett abbekommen. Fehl also nur noch ich, oder?«
»Für dich ist mir meine Zeit zu schade. Was weißt du schon von unseren Angelegenheiten? Mir reicht’s, ich gehe. Viel Spaß noch, liebe Schwestern, viel Spaß noch ohne mich. Verwandte sind schlimmer als die schlimmsten Feinde.«
Bedena verschwindet so schnell, wie sie gekommen ist. Heute findet die Zusammenkunft ohne sie statt.
Nach kurzer Zeit verlieren sich Esma, Afrodita und Saba ganz in ihren Plaudereien und haben Bedena und all den Unfrieden, den sie immer und überall stiftet, vergessen.
»Was bist du alt geworden, liebe Saba. Die Kinder bereiten einem viel Freude, das stimmt, aber sie befördern einen auch schneller ins Jenseits, als man denkt«, beginnt Afrodita wie immer. Ja, wie immer: Denn sie ist die älteste Schwester und hat keine Kinder.
Sie hat mit dem Schicksal gespielt, denkt Saba, und jetzt fühlt sie sich einsam wie ein verlassener Grabstein.
Afrodita hatte früh geheiratet und das Dorfleben beizeiten hinter sich gelassen. Ihr Mann war Militärarzt, er hatte in Italien studiert. Später bekam
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