Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)
Befreiungsarmee gekämpft hatte. Nach dem Krieg war er in der Hauptstadt geblieben und sie in Kaltra, wo sie darauf wartete, ihm zu folgen. Sie hatten zwei kleine Töchter.
Esma war blond, mager und wirkte zerbrechlich wie alle Buronja-Schwestern, in der Sprache der Dorfbewohner bezeichnete man das als »kränklich«. Sie gab sich auch keine sonderliche Mühe, der Schwiegermutter und deren Familie zu gefallen. Ihr genügte die Liebe ihres Mannes. Sie war glücklich so.
Esma war faul. Sie stand spät auf, und während sich ihre Schwiegermutter und die Schwägerinnen abrackerten, um die Hausarbeiten zu erledigen, bevor die Männer kamen, verbrachte sie ihre Zeit damit, den Töchtern lange Zöpfe zu flechten und sich im Sonnenschein das blonde Haar zu kämmen.
Zum Mittagessen kam sie aus ihrem Zimmer, mit Kleidern, die man nie zuvor im Dorf gesehen hatte, einem feuerroten Mund und ebenso lackierten Fingernägeln. Lächelnd setzte sie sich an den Tisch und begann zu plaudern. Sie wunderte sich über die abweisenden Antworten.
»Was glaubt sie, wer sie ist?«, sagten die Schwägerinnen. »Wegen den paar Kröten, die ihr Mann schickt, meint sie, wir seien ihre Dienerinnen?«
Esma dachte überhaupt nicht an das Geld, das ihr Mann der Familie schickte, sie hätte sich genauso verhalten, wenn es die »paar Kröten« nicht gegeben hätte. Das Einzige, was sie im Grunde interessierte, war die Ankunft ihres Mannes am Ende jeden Monats. So verstrichen Esmas Tage: Sie kümmerte sich um ihr Äußeres, und am Nachmittag ging sie ihre Mutter besuchen. In ihren neuen Kleidern aus feinen Stoffen, die aus der Hauptstadt kamen, lief sie durchs Dorfzentrum, einen aufgespannten Schirm in der Hand. Im Sommer hätte die sengende Sonne, die selbst die Steine zum Schmelzen brachte, ihre helle Haut verbrannt, und im Winter regnete oder schneite es. Solche Schirme nach der französischen Art hatte man im Dorf noch nie zuvor gesehen. So wie man auch noch nie zuvor einen Mann gesehen hatte, der seiner Frau derart viele Geschenke macht. War es nicht Aufgabe der Schwiegermütter, die nötigen Dinge für die Schwiegertöchter zu besorgen? Esma gab nicht viel auf solches Gerede, sondern ging unbeirrt ihren Weg.
Wenn sich das Monatsende näherte, schien sie noch höher über den Wolken zu schweben. Zwei Tage vorher begann sie, sich auf das Ereignis vorzubereiten. Sie nahm frische Eier aus dem Hühnerstall und fertigte aus dem Eiweiß eine Art Salbe, mit der sie den gesamten Körper einrieb.
War ihr Körper von jedem noch so kleinen unliebsamen Makel befreit, bereitete sie sich aus roten Trauben, frischer Sahne und einem Löffel Blütenhonig eine Maske. Sie verteilte sie auf dem ganzen Gesicht und ließ sie eine Weile lang einziehen. Das Haar rieb sie zunächst mit Olivenöl ein, um es weicher werden zu lassen, dann spülte sie es mit Kamille, um ihm Glanz zu verleihen. Sie badete die Töchter, die ihre schönen Sonntagskleider anlegten, flocht ihnen zwei Zöpfe, die sie ihnen hochsteckte wie Prinzessinnen, und ging dann hinaus, um auf den Bus zu warten.
Esma, Esma lässt sich sehen,
lässt die Toten auferstehen,
und die Lebenden vor Schreck vergehen.
So riefen ihr die Männer aus dem Dorf mit vom Raki geröteten Augen hinterher.
Aber Esma lief einfach an ihnen vorbei. Schließlich hatte sich, wenn sie ihre Brüder auf dem Friedhof besuchen ging, bisher noch nie ein Toter aus dem Grab erhoben, um sie anzuschauen. Es war der Raki, der den armen Kerlen diese Worte in den Mund legte.
Wenn der Bus kam und sie ihren Mann aussteigen sah, schmiss sie sich ihm an den Hals wie eine rollige Katze, ohne sich darum zu kümmern, was man über sie reden würde. Arm in Arm, die beiden Töchter neben sich, gingen sie nach Hause. Während des gesamten Abendessens dachte sie an das, was danach kam. Man sah nur ihre glänzenden Augen, man sah nur ihre Glückseligkeit. Die Schwägerinnen konnten sie nicht verstehen. Für sie war es die Hölle, sich mit dem Ehemann im Zimmer einzuschließen und gewisse Dinge zu erledigen. Esma war dagegen ein bisschen wie die Männer: Es machte ihr Spaß. Was für eine seltsame Frau.
Am nächsten Morgen stand Esma nicht wie sonst spät auf, sondern erhob sich noch vor ihrem Mann und eilte in die Küche, um ihm eigenhändig das Frühstück zu richten. Den Teig für die Petulle bereitete sie nicht mit Hefe zu, wie die anderen Frauen, sondern mit Joghurt und frischen Eiern. Wie hätten diese Krapfen, die aus nichts weiter als Wasser
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