Roulette der Liebe
in kristallener Schönheit sprudelte und Bäume so dicht zusammenstanden, daß ein Pferd nicht zwischen den Stämmen hindurchreiten konnte. Die ausgetrockneten Flußläufe und breiten Gebirgsplateaus, die sie jetzt überquerten, boten mehr als genug Platz für Pferde. Nichts als unermeßliche Weite, wohin das Auge blickte, Meile für Meile.
»Sieh mal!« rief Eve.
Über den schmalen Zwischenraum hinweg, der Renos Pferd von ihrem trennte, legte sie eine Hand auf seinen Arm und zeigte nach vorn.
»Da!«
Reno spähte in die angegebene Richtung und sah nur gelbbraune, geschwungene Felsnasen aus Sandstein - wie die Knochen des Landes selbst, die durch die dünne Haut der Erde stießen.
»Was?« fragte er.
»Da drüben«, meinte Eve. »Kannst du es nicht sehen? Diese Steingebäude. Sind es die Ruinen, von denen du erzählt hast?«
Nach einem Augenblick begriff Reno.
»Das da sind keine Ruinen«, erklärte er. »Das sind nur Schichten von Sandstein, die Wind und Stürme zu seltsamen Formen geschliffen haben.«
Eve wollte widersprechen, überlegte es sich dann aber anders. Als Reno ihr zu Anfang gesagt hatte, sie würden durch Täler reiten, in denen nirgends ein Bach von den Steilhängen herabstürzte und sich kein Wasser im Tiefland sammeln konnte, hatte sie geglaubt, er mache sich über sie lustig.
Es war sein Ernst gewesen. Es gab solche Täler. Eve hatte sie gesehen, hatte sie durchquert, hatte ihren sonnendurchglühten Staub auf der Zunge geschmeckt. Sie ritt genau jetzt durch eines dieser Täler.
Für Eve war die veränderte Landschaft eine ständige Quelle des Staunens. In all den Jahren, die sie das Tagebuch von Christobals Leon studiert hatte, war ihr niemals richtig bewußt geworden, wie es für die spanischen Eroberer gewesen sein mußte, in die unbekannte Wüste hinauszureiten, Flüssen zu folgen, die schmaler wurden, bis sie schließlich völlig verschwanden und nur quälenden Durst hinterließen.
Sie hatte sich auch nicht vorgestellt, wie es sein würde, Hunderte von Meilen ungehindert in alle Richtungen zu sehen und nicht einen Bach, nicht einen Teich, nicht wenigstens eine Andeutung von Schatten und Wasser zu erblicken, um einen Durst stillen zu können, der so groß war wie das ausgedörrte Land selbst.
Und dennoch - mehr als das Fehlen von Wasser erstaunten Eve die nackten, vielfarbigen, bizzar geformten Felsen, die sich aus dem Boden erhoben. Die massiven, nahtlosen Steinformationen, höher als jedes Gebäude, das sie jemals gesehen hatte, faszinierten sie in ihren rostroten, cremefarbenen und goldfarbenen Schattierungen.
Manchmal ähnelten sie schlafenden Drachen. Manchmal hatten sie Ähnlichkeit mit Pilzen. Und bisweilen, so wie jetzt, ähnelten sie dem Bild einer gotischen Kathedrale mit dünnen Strebepfeilern auf solidem Stein, das sie einmal gesehen hatte.
Reno richtete sich in den Steigbügeln auf und spähte über seine Schulter zurück. Das Gebirge war jetzt nicht mehr als ein dunkelblauer Farbtupfer am Horizont. Er hätte ihn mit einer Hand abdecken können. Die langgestreckten, dürren Täler, durch die er seinen kleinen Trupp geführt hatte, boten kaum Chancen, sich zu verbergen - weder für ihn noch für die Männer, die ihn verfolgten.
Und dennoch hatte Reno seit der Morgendämmerung keinerlei Bewegung in der Landschaft ausmachen können, nur die Schatten vereinzelter Wolken.
»Scheint, als hätten Slaters Pferde endgültig aufgegeben«, bemerkte Eve, die ebenfalls angestrengt zurückblickte.
Reno gab einen Ton von sich, der alles hätte bedeuten können.
»Heißt das, wir können heute früh Rast machen?« fragte sie hoffnungsvoll.
Er sah sie an und lächelte.
»Kommt darauf an«, erwiderte er.
»Worauf?«
»Darauf, ob diese Quelle, die Cals Dad auf der Karte verzeichnet hat, noch immer fließt. Wenn es sie noch gibt, füllen wir die Kanister und schlagen unser Lager ein paar Meilen weiter entfernt auf.«
»Meilen?« fragte Eve, in der Hoffnung, sie hätte sich verhört.
»Meilen, allerdings. In einem so trockenen Gebiet würde nur ein Dummkopf oder eine Armee neben einer Quelle kampieren.«
Sie seufzte.
»Ich verstehe«, sagte sie niedergeschlagen. »Sein Lager neben einer Quelle aufzuschlagen wäre das gleiche, als würde man mitten auf einer Kreuzung kampieren.«
Reno nickte.
»Wie weit ist es noch bis zu der Quelle?« erkundigte sie sich.
»Ein paar Stunden.«
Als Eve schwieg, warf Reno ihr einen prüfenden Blick von der Seite zu. Trotz der Strapazen des
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