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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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in sein Büro. Ohne anzuklopfen, wie immer.
    Eschenbach telefonierte gerade mit Banz, es ging natürlich um Frau Liebgrün.
    »Sie hat es geschluckt«, sagte der Bankier. »Auch die Einsicht in alle Personaldossiers … Ist doch klar. Dir steht alles offen. Vermutlich war ich Liselotte gegenüber nicht deutlich genug.«
    »Schon recht«, sagte Eschenbach.
    »Ich bin jetzt zwei Tage weg.« Banz erzählte von einer Tagung in Frankfurt, zu der er als Guestspeaker eingeladen war, und von einem Golfturnier in Niederösterreich, das von der Salzburger Niederlassung der Banque Duprey für Kunden gesponsert wurde. Eschenbach hörte nur mit einem halben Ohr hin. »Am besten treffen wir uns am Freitag für einen Arbeitslunch hier bei mir im Büro. Ich habe einen kleinen Vertrag aufgesetzt, der deinen Einsatz hier regelt – auch dein Honorar. Zudem bin ich sehr gespannt, was du zu berichten hast.«
    Rosa stand während des ganzen Gesprächs mitten im Raum: groß, vollschlank, in einem zartlila Leinenkleid, das ihr bis über die Knie reichte. Sie war noch immer bleich, fand Eschenbach. Aber vielleicht war es auch nur die Art, wie sie ihr Gesicht puderte.
    Nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, zuckte Rosa ein paarmal die Schultern, dann sagte sie, wie jemand, der mit seiner Vergangenheit abschließen wollte, um zielstrebig nach vorne zu blicken:
    »Wir machen es uns hier doch auch gemütlich. Oder nicht, Kommissario?«
    Am ersten Tag blieb Eschenbach bis tief in die Nacht hinein. Die Tür zu seinem Büro schloss er nicht, denn so hatte er einen Blick in den offenen Raum nebenan, in dem seine Leute in Zweiergruppen an den Tischen saßen und arbeiteten.
    Auch Rosa bezog ihren Arbeitsplatz. Sie setzte sich zu Evelyn Bopp, der jungen Praktikantin, die bisher allein an einem Zweierpult gesessen hatte. Dubach hatte keine Assistentin gehabt. Wenn sich Eschenbach in seinem Sessel etwas zurücklehnte, konnte er Rosa zublinzeln.
    Punkt drei Uhr kam Madame Lods, eine Mitarbeiterin der EDV-Abteilung. Mit ernstem Gesicht richtete sie Eschenbach den PC ein, erklärte ihm die wichtigsten Programme und wie man in das interne Netzwerk gelangte.
    »Was die Bankensoftware anbelangt«, sagte Eschenbach, als es kompliziert wurde, »also das erklären Sie am besten Frau Mazzoleni. Sie ist meine Assistentin.«
    »Hat sie denn eine Berechtigung?«
    Während Eschenbach und Madame Lods sich über die Vergabe von Nutzungsrechten und die Aufbewahrung von Passwörtern unterhielten, schaffte ein Mitarbeiter von Liselotte Liebgrün die Personaldossiers herbei. Der junge Mann hieß Raphael Zwygart, ein blonder, sehr höflicher Mensch mit einer etwas zu großen Hornbrille und schwammigen Gesichtszügen. In Abständen von fünf Minuten klopfte er an die offenstehende Bürotür, trat einen Schritt vor und sagte, als hätte er etwas Wichtiges zu verkünden, den immer gleichen Satz: »Herr Doktor, darf ich eintreten, ich bringe noch mehr Akten, im Auftrag von Direktorin Liebgrün, Sie wissen ja.«
    »Ja, ich weiß, legen Sie sie einfach auf den Besprechungstisch.«
    Beim vierten oder fünften Mal blieb Zwygart stehen. »Sie lassen das doch nicht hier liegen, oder?« Bekümmert blickte er auf die Berge von Papier, die er auf den kleinen Besprechungstisch und die drei Stühle gelegt hatte.
    »Ich werde sie gelegentlich lesen«, sagte Eschenbach.
    »Sie müssen sie einschließen.«
    »Mache ich.«
    Stocksteif blieb Zwygart stehen. Ein Räuspern erklang. »Aber Sie haben doch gar keine Schränke … Ich meine, feuerfest und abschließbar.«
    »Ach so.« Eschenbach war gerade damit beschäftigt, eine Test-E-Mail zu beantworten, die ihm Madame Lods von Rosas Arbeitsplatz gesendet hatte. Nun blickte er auf und sah Zwygart an. »Es bricht kein Feuer aus«, sagte er ruhig. »Und wenn ich hier tatsächlich noch mal zum Arbeiten komme, dann können Sie das meiste davon morgen wieder abholen. Außerdem verspreche ich Ihnen hoch und heilig, dass ich das Büro über Nacht abschließen werde.«
    Zwygart nickte, blieb aber stehen. Eschenbach sah dem jungen Mann an, dass ihn die Sache wirklich bedrückte. Mehrmals öffnete er den Mund, ohne etwas zu sagen. Dann stammelte er: »Ge-ht-ni-cht.«
    »Was geht nicht, Herr Zwygart?«
    »Die Tür«, kam es etwas gefasster. »Sie lässt sich nicht schließen.«
    »Warum denn das?«
    »Wir finden den Schlüssel nicht – Herr Dubach hat ihn. Wir müssen das ganze Schloss auswechseln lassen.«
    Wie in jedem größeren Unternehmen gab es

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