Ruf des Blutes 3 - Dämonenring (German Edition)
Doch das Biest in ihm wollte nicht schweigen, immer wieder gaukelte es ihm Bilder vor, wie Melissa sich auf kühlen Laken unter Dracon wand und lustvoll seinen Namen stöhnte. Er ertrug es nicht. Mit gefletschten Zähnen flog er am nächtlichen Himmel Londons entlang, der Sturm seiner Wut folgte ihm. Dieser Zorn brauchte ein Ventil, sein Hunger musste gestillt werden.
Ein unglückseliger Obdachloser in einem schäbigen Hinterhof Sohos hatte das Pech, dass der Blutgeruch aus einer frischen Wunde, die von einem Rattenbiss herrührte, den rasenden Vampir auf ihn aufmerksam machte.
Kein Umgarnen, keine Sinnlichkeit und kein Nebelschlaf. Auch kein schlichter Biss in die Kehle. Armand riss dem Mann den halben Hals auf, seine Hand bohrte sich in seinen Brustkorb, umklammerte das Herz, das wie ein nach Luft ringender Fisch pumpte und ums Überleben kämpfte. Vergebens. Es gab keine Gnade, kein Entrinnen, denn ein Leben musste heute Nacht verlöschen. Es war ein berauschendes Gefühl, dieses Pulsieren in Händen zu halten, die Macht zu spüren, es jederzeit beenden zu können. Aber noch nicht. Es hatte noch eine Aufgabe, ihm das heiße, würzige Blut in den Mund zu pumpen. Als der Fluss schwächer wurde, drückte er fester zu. Die Arme des Alten schlugen hilflos umher, Armand bemerkte es nicht einmal. Erst, als der letzte Tropfen in seine Kehle floss und das Pochen endlich erstarb, kehrte er ganz langsam in die Wirklichkeit zurück.
Zitternd sank er an der Hauswand neben der Leiche hinab. Quälend und erbarmungslos sickerte die Erkenntnis in seinen Verstand, was er getan hatte. Sein Atem ging schwer, das Feuer brannte noch immer, auch wenn die Flammen schwächer züngelten. In der Brust des Obdachlosen klaffte ein schwarzes Loch, das Herz hielt Armand noch immer mit seiner Hand umklammert. Angewidert warf er es weg, erhob sich, taumelte, musste sich abstützen und nach Atem ringen. Als ob dieser verfluchte Dämon in ihm nicht schon genug wäre, war jetzt noch dieses andere Biest erwacht. Mel nannte es Totem, er nannte es einen Fluch. Diese schwarze Katze hatte nichts gemein mit der Wölfin Osira, so viel stand fest. Er musste mit Melissa darüber reden, herausfinden, wie er sie kontrollieren konnte. Aber Mel war nicht da. Sie war bei Dracon. Wieder kochte die Eifersucht hoch, ein Gift, das jede Faser seines Körpers durchtränkte und gegen das es kein Gegenmittel zu geben schien. Wem wollte er noch länger etwas vormachen? Die schlichte Wahrheit war, dass er entgegen seinem Naturell als Vampir, sich im wahrsten Sinne des Wortes unsterblich verliebt hatte und Melissa darum nicht länger teilen wollte. Aber wie sollte er ihr das sagen? Wie konnte er von ihr verlangen, das aufzugeben, wofür sie lebten? Er erinnerte sich daran, wie sehr sie als Mensch gelitten hatte, dass er mit seinen Opfern schlief, ehe er trank. An seine Worte, mit denen er sie zurechtgewiesen, ihr erklärt hatte, was es hieß, ein Vampir zu sein. Sie tat nichts anderes, als das zu befolgen, was er selbst ihr beigebracht hatte. Dass ihn genau das jetzt innerlich auffraß, war vielleicht die gerechte Strafe dafür, dass er ihre sterbliche Liebe mit Füßen getreten hatte.
Es war schon früher Morgen, als ich zu unserem Haus zurückkehrte. Verwirrter und aufgewühlter denn je.
Ich verstand Dracon. Nicht nur wegen Lucien, den ich beinah ebenso fürchtete wie er und genauso sehr liebte und begehrte. Aber da war noch mehr, das uns verband. Ganz tief in mir tat es furchtbar weh, ihm so ähnlich zu sein.
Nachdenklich schloss ich die Wohnungstür auf. Das Gespräch mit Dracon hatte mich aus meinem Gleichgewicht gebracht. Die Verantwortung, die mir durch Kalistes Willen auferlegt worden war, lastete schwer auf meinen Schultern. Ich drückte die Haustür hinter mir zu und lehnte mich von innen dagegen. In meinem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Zu viel, viel zu viel. Die Ammit, die Morde, der MI5, Dracon…
„Und? Hat er’s wenigstens gut gemacht?“
Armands Stimme troff vor Sarkasmus, nicht gut bei meinen blank liegenden Nerven. Ich zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb. Ein Blick in sein verhärmtes Gesicht ließ auch in mir Wut aufsteigen. Jeder Muskel meines Körpers schien zum Zerreißen gespannt, als ich mich von der Tür abstieß und zu ihm hinüber ging.
„Ich habe nicht mit ihm geschlafen.“
„Pas aujourd’hui.“
„Heute nicht und auch an keinem anderen Tag. Außer der Vergewaltigung damals ist nie etwas zwischen uns
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