Ruth
Prinz
Hedak in dieser Sache nicht traue. Es wäre weise, wenn er für seine Sicherheit
Vorkehrungen träfe, falls dies eine Falle ist, um ihn nach Heschbon zu locken.“
Chebs Augen blitzten auf. Er
sah schnell zur Seite aus Furcht, sein Blick könnte ihn als Mitwisser verraten.
„Es ist ungewöhnlich, sich widersprechende Botschaften zu überbringen, Herrin“,
sagte er und stellte sich unentschlossen.
„Hier, das soll dich für deine
Mühe entschädigen.“ Ruth gab ihm eine Goldmünze. „Vergiß nicht, Boas zu warnen,
Cheb, wenn dir sein Leben und das Wohlergehen Israels etwas wert sind.“
Der Händler steckte die Münze
mit rascher Bewegung in seinen Beutel. „Ich werde ihm deine Warnung
ausrichten“, versprach er. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“
Als Cheb die Karawane durch das
Stadttor führte, rieb er sich nachdenklich die Wange und überlegte, ob er seine
Abreise verzögern sollte, um Hedak davon zu unterrichten, daß Ruth, die Frau
des Schmiedes Machlon, seine Absichten durchschaut hatte. Aber dann entschied
er sich, dieses Wissen für sich zu behalten. Eines Tages, so meinte Cheb,
könnte es für ihn noch von größerem Wert sein — und er war es gewohnt, den
höchstmöglichen Gewinn aus seinen Verrätereien und Erpressungen zu schlagen.
Als Ruth sich zum Schlafen
zurecht machte und vor einem Frisiertisch aus kostbarem Holz ihr glänzendes
Haar bürstete, trat Machlon zu ihr. Er legte seine Hand auf ihre Schulter, und
sie ergriff sie.
„Du wirst stolz auf mich sein,
Ruth, wenn ich Frieden zwischen Israel und Moab geschaffen habe“, sagte er voll
Vertrauen.
Sie stand auf, um ihn zu
küssen. „Ich bin schon jetzt stolz auf dich, Machlon“, versicherte sie. „Nun
geh zu Bett, ich werde die Lichter löschen.“
Er lag auf dem Bett und
beobachtete, wie sie im Zimmer umherging, um die Lampen zu löschen. Jede Lampe
bestand aus einem mit Olivenöl gefüllten Gefäß, in das ein kleiner Docht
getaucht war. Als sich Ruth neben ihn legte, begann Machlon weiterzusprechen.
„Ich habe an die Zeit gedacht, als wir uns zum ersten Mal an der
Zufluchtsstätte begegneten“, sagte er. „Glaubst du, daß unser Aufbruch nach
Moab vielleicht Teil eines Planes war, Ruth?“
„Was meinst du damit?“ Sie
wandte sich um und sah ihn im Schimmer des Mondlichts, das durch das geöffnete
Fenster drang, fragend an.
„Vielleicht sandte uns der
Allerhöchste aus Betlehem hierher, damit ich eines Tages der Vermittler sein
könnte, der zwischen Israel und Moab Frieden schafft.“
„Hast du es jemals bereut, nach
Moab gekommen zu sein und dein eigenes Volk verlassen zu haben, Machlon?“
fragte sie ausweichend, damit er nicht merken sollte, mit welcher Angst und
Sorge sie dieses Thema erfüllte.
„Niemals“, sagte er ohne
Zögern. „Denn dann hätte ich dich nicht gewonnen. Und du hast aus mir den
glücklichsten Mann gemacht.“
Sie vergrub ihr Gesicht an
seiner Brust, um ihre Tränen zu verbergen. „Aber ich habe dir kein Kind
geschenkt“, widersprach sie. „Warum solltest du mich lieben, wenn ich doch
unfruchtbar bin?“
„Es kann nicht deine Schuld
sein. Ein so schöner Körper kann nicht unfruchtbar sein, Ruth. Es muß...“ Er
zögerte.
„Was wolltest du sagen?“
„Ich habe in letzter Zeit mehr
als einmal darüber nachgedacht. Vielleicht liegt der Grund, warum mein Samen
sich in deinem Schoß nicht regt, darin, daß Gott mich für das Schmieden der
Schwerter strafen will.“
„Aber das wäre grausam. Du hast
dich bereit erklärt, sie zu machen, damit deine Familie leben konnte.“
„Der Allerhöchste ist immer
gerecht, Ruth. Wenn ich seine Strafe verdiene, will ich ihr nicht ausweichen.“
„Aber du sühnst dein Vergehen,
wenn es eines ist, indem du versuchst, Frieden zu stiften.“
„Dann vielleicht…“ Er zögerte.
Und als er erneut sprach, überstürzten sich die Worte in seiner Erregung. „Dann
vielleicht wird uns der Allerhöchste doch noch ein Kind schenken, Ruth!“
„Noëmi sagt, daß das Geschenk
des Lebens einer Frau von Gott gegeben wird“, flüsterte sie.
„Und wenn mein Samen in deinem
Körper zu Leben würde, dann wäre dies ein Omen, daß Gott mich und meinen
Friedensplan mit Wohlwollen betrachtet.“ Er zog sie an sich.
Ruth hätte sich so sehnlich
gewünscht, seine Hoffnung teilen zu können. Aber das dunkle Gefühl wollte nicht
weichen, das über sie gekommen war, als Machlon ihr seine Entscheidung
mitgeteilt hatte, für Moab keine Schwerter mehr
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