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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
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Lächeln dankbar. Sie ist beruhigt. Wir brechen die dampfenden Hotdogs mit der Hand durch und lecken uns das Fett von den Fingern, während Cora erzählt, was alles schiefgegangen ist, als Stevie mitten in der Nacht betrunken sein Feldbett aufgebaut hat.
    Ich esse meinen Hotdog und nicke an den richtigen Stellen und rolle mit den Augen und bin froh, eine Zeitlang nicht sprechen zu müssen. Obwohl ich verängstigt und schuldbewusst bin, mich schmutzig und zerrissen fühle, ist mir klar, dass es schon in ein paar Wochen überstanden sein wird und ich das Gefühl haben werde, es sei nie passiert. Es wird bedeutungslos werden, nicht wert, dass man es erwähnt, es wieder ausgräbt, sich gegenseitig damit wehtut.
    Der Schmerz in meinem Inneren wird ebenso verschwunden sein wie der Schmerz zwischen meinen Beinen, wo sich ein träges, hartnäckiges Brennen breitgemacht hat, der Beweis dafür, dass von nun an alles anders ist.
    Das Ganze wird zu einem anderen, längst vergangenen Leben gehören. Eine verträumte Nacht. Eine dunkle Straße, die noch warm ist von der Hitze des Tages und auf der die Schritte widerhallen. Dann das geräuschlose Schließen einer Tür.
    Mike und ich haben nur ein einziges Mal darüber gesprochen. Dieses Gespräch fand drei oder vier Monate später statt, am Tag vor seiner richtigen, offiziellen Verlobung mit Cora, im Zug nach Swansea, wo wir das Wochenende verbringen wollten. In Cardiff hatte sich Mike in letzter Zeit kaum noch blicken lassen. Ganz plötzlich hatte er eine Menge Projekte, musste Essays schreiben oder an wichtigen Fußballspielen teilnehmen. Also fuhr Cora an den Wochenenden zu ihm – eine Umkehrung der letzten zwei Jahre. Aber dann lud uns Stevie zu einer seiner berühmten Pizza-und-Fusel-Partys ein, und wie hätte es ausgesehen, wenn wir nicht hingegangen wären?
    Mike war am Freitagmittag nach Cardiff gekommen, teils um Cora abzuholen, aber hauptsächlich, um bei Tim irgendein Cardiff-City-Spiel zu schauen. Eigentlich hätten wir alle drei denselben Zug nehmen sollen, aber dann verkündete Cora, sie würde erst am Samstagnachmittag zu uns stoßen, weil sie für eine Kollegin im Schuhgeschäft einspringen musste. Sie bestand darauf, dass wir schon vorfuhren, statt einen wunderbaren, seltenen Sonnentag zu vergeuden. Wir hatten gelernt, dass sich Widerspruch nicht lohnte, wenn sie resolut wurde. Ihr könnt euch doch gegenseitig Gesellschaft leisten, schlug sie vor, als wären wir Kinder, die eine fünfundvierzigminütige Fahrt ohne Aufsichtsperson antraten.
    Kurz bevor wir schaukelnd im Bahnhof von Swansea einfuhren, fragte Mike: »Bereust du, was passiert ist?«
    Während der Fahrt hatten wir über das katastrophale Abschneiden der Swans in der zweiten Liga diskutiert. Mike und Stevie waren lebende Beweise dafür, dass »Fan« von »fanatisch« kommt. Zumindest rühmten sie sich stolz ihrer Fanqualitäten und trotzten am Rand des bröckelnden, an ein Wattenmeer erinnernden Spielfelds von Vetch Field, das inzwischen längst Geschichte ist, begeistert und in voller Montur dem Wind, diskutierten über die Verdienste des Maskottchens »Cyril der Schwan« und torkelten nach dem Spiel in aufgepeitschter, bierseliger Stimmung an der weitläufigen Swansea Bay entlang nach Hause.
    Voller Enthusiasmus hatte mir Mike alle möglichen komplizierten Bälle beschrieben, die jemand verschossen oder ins Tor gejagt hatte, ohne dass ich irgendetwas davon verstand. Meine Aufmerksamkeit entzückte ihn, denn Cora pflegte bei solchen Gelegenheiten nur zu stöhnen und ihn zu ermahnen, ihr nicht mit diesen langweiligen Männerthemen zu kommen. Alles schien in bester Ordnung zu sein, wir gaben uns ungezwungen wie immer. Fast hätte man meinen können, ich hätte mir alles nur eingebildet.
    Ich ertappte mich dabei, wie ich über die rührende Überschwänglichkeit grinste, mit der er sich einem derart gegenstandslosen Thema widmete. Als er mit seinen Ausführungen am Ende war und mit gespieltem Frust den Kopf schüttelte, begann ich, meine Tasche und meine Jacke einzusammeln und auf dem dreckigen Streifen Beton, der vor uns auftauchte, nach Stevie Ausschau zu halten.
    In diesem Moment stellte er seine Frage, mit leiser, unsicherer Stimme. »Bereust du, was passiert ist?«
    Ich sah direkt und unverstellt in sein vertrautes Gesicht, studierte die kleinen Fältchen, die ich so lieb gewonnen hatte. Mehr als je zuvor verspürte ich den Wunsch, ihn zu küssen. Ich wusste, dass er den Verlobungsring in der Tasche

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