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Sacramentum

Sacramentum

Titel: Sacramentum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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stand der abnehmende Mond. In der Polizeistation gingen Gabriel und Arkadian noch einmal durch, was sie zu tun hatten; dann schüttelten sie sich die Hände und trennten sich. Arkadian blieb zurück, während Gabriel sich hinausschlich und den Hügel in Richtung Zitadelle hinaufstieg. Es war fast ein Uhr morgens.
    Gabriel ging so leise wie möglich und lauschte in die Dunkelheit. Alles war ruhig. Selbst die Stadt jenseits der Mauer war still.
    Der Platz, auf dem es tagsüber nur so von Touristen wimmelte, war nun leer und unheimlich. Gabriel huschte unter einem der Bögen neben der alten Kirche hindurch und schaute zur Zitadelle hinauf. Er fühlte sich genauso wie vor einem Kampfeinsatz: konzentriert, gespannt … und auch ein wenig ängstlich. Furcht war essentiell. Sie verhinderte, dass er zu selbstgefällig wurde, und bei dem, was vor ihm lag, gab es genug zu fürchten.
    Gabriel hielt sich in den Schatten der Gebäude am Rand des Grabens und bewegte sich auf die Holzbrücke zu, die ihn überspannte. Hoch über sich sah er den Eingang zur Tributhöhle. Kein Licht brannte dort. Der einzige Hinweis darauf, dass dort etwas war, war ein dünnes Seil, das vor dem Hintergrund des Berges kaum zu sehen war. Ein schmaler Pfad führte durch die Nacht und zum Tributstein am Fuß des Berges.
    Gabriel erreichte das Seil und nahm es vorsichtig in die Hand, ohne jedoch daran zu ziehen. Es war dünner, als er gehofft hatte, und bestand ganz traditionell aus Hanf. Das war zwar nicht gerade das stärkste Material, würde ihm aber guten Halt bieten. Gabriel holte die Kletterhandschuhe aus der Tasche, zog sie an und ließ seinen Blick noch einmal über den Wall schweifen. Es war niemand zu sehen.
    Gabriel packte das Seil und prüfte es. Es knarrte, als er daran zog, und dehnte sich ein wenig, aber nicht viel. Das würde reichen müssen. Gabriel atmete tief ein, hing sich mit seinem Gewicht an das Seil und bereitete sich auf eine rasche Flucht vor, sollte oben ein metallisches Läuten zu hören sein.
    Nichts geschah.
    Die Botschaft war angekommen.
    Die Glocke war zum Schweigen gebracht worden.
    Mit dem Geschick eines im Klettern geübten Soldaten zog Gabriel sich in die Höhe. Die Technik war simpel. Seine Füße dienten ihm sowohl als Stütze wie auch als Bremse. Auf diese Weise konnte man so gut wie alles hinaufklettern, solange man noch Kraft in den Armen hatte und das Seil nicht riss. Die Tributhöhle befand sich gut hundert Meter über ihm. Gabriel versuchte, nicht daran zu denken, dass das Seil irgendwo eine Schwachstelle haben könnte.
    Stattdessen machte er seinen Geist frei von allem und gab sich ganz dem Rhythmus hin.
    Beine gerade.
    Nach oben greifen.
    Zupacken.
    Beine hochziehen.
    Bremsen.
    Wiederholen.
    Gabriel schaffte mit jeder Wiederholung ungefähr einen Meter; also musste er das gut hundertmal machen, bis er die Tributhöhle erreichte. Während seiner Kampfausbildung hatte er als Bestandteil des Trainings regelmäßig fünfzig Wiederholungen dieser Bewegungsmuster ausgeführt, allerdings an einem dickeren Seil, das leichter zu packen war. Wenigstens hatte er diesmal keine Kampfausrüstung dabei, nur eine Pistole und eine Kopie der Karte seines Großvaters.
    Gleichmäßig stieg Gabriel immer weiter hinauf, während das Seil knarrte und er sich in der Nachtluft drehte. Allmählich schmerzten die Sehnen in seiner Hand. Dann dachte er an Liv, die gerade einsam und verängstigt von den Leuten hierhergeschleppt wurde, die seine Mutter umgebracht hatten. Er würde nicht zulassen, dass ihr das gleiche Schicksal widerfuhr. Egal, wie sehr ihn seine Muskeln auch schmerzten, er würde weiterklettern … für sie.
    Er brauchte fast zehn Minuten bis zur Luke der Tributhöhle, und als er dort ankam, brannten seine Muskeln, und seine Kleidung war schweißdurchtränkt. Der Großteil der Luke war von der Aufzugplattform bedeckt. Das Glockenseil verlief daneben und verschwand in einem Loch im Fels, das zwar groß genug für das Seil, jedoch viel zu klein für Gabriel war. Er kletterte die letzten Meter hinauf und steckte vorsichtig den Kopf durch das Loch.
    Die Höhle war leer.
    Niemand lauerte hier auf ihn.
    Es gab nur eine Stelle, an der er in die Höhle klettern konnte, und die war direkt neben dem Aufzug. Um sie zu erreichen, musste er jedoch erst einmal hin und her schwingen, und das tat er auch. Das Seil knarrte bedenklich. Gabriel hatte nur eine Chance.
    Er nahm immer mehr Schwung auf.
    Die ersten Hanffasern lösten

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