Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
Vom Netzwerk:
Hals.)
    PJOTR (zornesrot)
    Ich … Ich muss Kirillow benachrichtigen.
    ( WERCHOWENSKI stürzt hinaus. Als er fort ist, hört STAWROGIN auf zu lachen und setzt sich wieder auf das Sofa, stumm und mit finsterer Miene.)
    Dunkel
    (Auf der Straße. WERCHOWENSKI geht zur Epiphanienstraße.)
    DER ERZÄHLER
    Zeitgleich mit Pjotr Werchowenskis Aufbruch war in der Stadt etwas anderes aufgebrochen. Brände mit ungeklärter Ursache flammten auf; die Zahl der Diebstähle verdoppelte sich. Ein Leutnant, der sich angewöhnt hatte, in seinem Zimmer bei Kerzenschein materialistische Pamphlete zu lesen, kratzte und biss seinen Vorgesetzten. Eine Dame der besten Gesellschaft begann, zu festen Zeiten ihre Kinder zu prügeln und bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Armen zu verhöhnen. Eine andere wollte mit ihrem Mann die freie Liebe praktizieren. «Unmöglich» war die Antwort. «Was heißt hier unmöglich!», schrie sie. «Wir sind frei!»
    In der Tat, wir waren frei, doch wovon?
    Zwölftes Bild
    ( KIRILLOW , FEDKA und PJOTR WERCHOWENSKI im Gemeinschaftsraum des Filippow’schen Hauses. Schatows Zimmer ist schwach erleuchtet.)
    PJOTR (zu FEDKA )
    Du versteckst dich bei Herrn Kirillow.
    FEDKA
    Sie sind eine widerliche kleine Wanze, aber ich gehorche Ihnen, keine Sorge. Vergessen Sie nur nicht, was Sie mir versprochen haben.
    PJOTR
    Versteck dich.
    FEDKA
    Ich gehorche. Vergessen Sie’s nicht!
    (Er verschwindet.)
    KIRILLOW (eine Feststellung)
    Er findet Sie widerlich.
    PJOTR
    Er braucht mich auch nicht zu lieben, Hauptsache, er gehorcht. Setzen Sie sich, ich habe mit Ihnen zu reden. Ich erinnere Sie an unsere Abmachung und Ihre Verpflichtung.
    KIRILLOW
    Ich bin nichts und niemandem verpflichtet.
    PJOTR (auffahrend)
    Was, haben Sie Ihre Meinung geändert?
    KIRILLOW
    Nein. Aber ich handele nur meinem Willen gemäß. Ich bin frei.
    PJOTR
    Gut, gut. Es darf gern Ihr freier Wille sein, solange sich der nicht geändert hat. Bei Ihnen muss man aber aufpassen, was man sagt. In der letzten Zeit sind Sie ziemlich reizbar.
    KIRILLOW
    Ich bin nicht reizbar, ich mag Sie nicht. Trotzdem werde ich mein Wort halten.
    PJOTR
    Damit alles klar ist: Sie wollen sich immer noch töten?
    KIRILLOW
    Ja.
    PJOTR
    Sehr gut. Und niemand hat Sie dazu gezwungen.
    KIRILLOW
    Reden Sie kein dummes Zeug.
    PJOTR
    Schon gut, schon gut. Das war wirklich dumm. Sie würden sich gar nicht zwingen lassen, natürlich. Weiter. Sie gehören unserer Organisation an und haben Ihr Vorhaben einem der Mitglieder gestanden.
    KIRILLOW
    Ich habe nichts gestanden, ich habe schlicht und einfach gesagt, was ich tun werde.
    PJOTR
    Gut. Sie brauchen keine Geständnisse abzulegen, da haben Sie recht. Ausgezeichnet.
    KIRILLOW
    Nein, nicht ausgezeichnet. Sie reden, um nichts zu sagen. Ich habe beschlossen, mich umzubringen, weil ich es so will. Sie wollen diesen Selbstmord für Ihre Organisation nutzen. Wenn Sie hier ein Verbrechen verüben und man den Schuldigen sucht, schieße ich mir eine Kugel in den Kopf und hinterlasse einen Bekennerbrief. Sie haben mich gebeten, mit dem Selbstmord noch entsprechend zu warten. Ich habe eingewilligt, weil es mir gleichgültig ist.
    PJOTR
    Gut. Aber Sie haben sich verpflichtet, diesen Brief zusammen mit mir aufzusetzen und sich mir zur Verfügung zu halten. Natürlich nur für diese Sache, sonst sind Sie selbstverständlich frei.
    KIRILLOW
    Ich habe mich zu nichts verpflichtet, sondern eingewilligt, weil es mir gleichgültig ist.
    PJOTR
    Wie Sie wollen. Ihre Absicht besteht immer noch?
    KIRILLOW
    Ja. Soll es noch lange dauern?
    PJOTR
    Ein paar Tage.
    KIRILLOW (steht auf, scheint nachzudenken)
    Welche Schuld soll ich bekennen?
    PJOTR
    Das erfahren Sie dann.
    KIRILLOW
    Gut. Aber vergessen Sie nicht: Gegen Stawrogin helfe ich Ihnen nicht.
    PJOTR
    Schön.
    ( SCHATOW kommt aus seinem Zimmer. KIRILLOW setzt sich in eine Ecke.)
    PJOTR
    Gut, dass Sie kommen.
    SCHATOW
    Ich brauche Ihre Billigung nicht.
    PJOTR
    Da haben Sie unrecht. In Ihrer Situation brauchen Sie sogar meine Hilfe. Ich habe mir für Sie schon den Mund fusslig geredet.
    SCHATOW
    Ich schulde niemandem Rechenschaft. Ich bin frei.
    PJOTR
    Nicht ganz. Sie wissen viel. Da können Sie nicht einfach so aussteigen.
    SCHATOW
    Mein Brief war doch unmissverständlich.
    PJOTR
    Sein Inhalt ist nicht ganz klar. Die anderen fürchten, Sie, Schatow, könnten sie verraten. Ich habe Sie verteidigt.
    SCHATOW
    Manche Rechtsanwälte legen es darauf an, ihre Mandanten an den Galgen zu bringen.
    PJOTR
    Jedenfalls sind

Weitere Kostenlose Bücher