SÄURE
vielen Male, als wir das Essen mit nach Hause genommen und im Bett verspeist hatten. »Natürlich könnten wir auch anrufen und uns etwas bringen lassen und hierbleiben.«
»Nein«, sagte sie, »ich will ausgehen!«
Wir fuhren zu einem Restaurant in Brentwood, das Standard-Mandarin-Sechuan-Menü und Papierlampions, aber immer zuverlässig, und schmausten eine Stunde lang, um anschließend in ein Kabarett nach Hollywood hinüberzufahren. Ein lustiger Laden, in dem wir uns immer prächtig amüsiert hatten. Keiner von uns beiden war je mit jemand anderem dort gewesen.
Die Atmosphäre hatte sich verändert: schwarze Filzwände, kriminell aussehende junge Rausschmeißertypen mit Pferdeschwänzen und grimmigen Gesichtern, ein Gedränge wie in Kalkutta; es roch nach kaltem Rauch, die Stimmung war aggressiv. Die Tische dicht besetzt mit todmüden Nachtkriechern und ihren Trabanten, alle kamen sie gerade von dem einen oder dem anderen Trip herunter und verlangten einen Unterhaltungsfix oder sonst…
Die ersten paar Nummern waren rohes Fleisch für diese Gäste - lauter Anfänger, die den Mund kaum aufbekamen und Zeugs zitierten, das allenfalls ihre Freunde zum Lachen gebracht haben mochte, für den Sunset Boulevard aber einfach nicht ausreichte. Traurige Clowns, die wild herumschwankten - wie Betrunkene auf Schlittschuhen - und zwischen totenstillen Augenblicken, die schlimmer waren als jene, die ich aus meinen Therapien kannte, und Stotterausbrüchen aus manischem Wortsalat, hin und herstolperten. War die City primitiver geworden oder konnte ich einfach keinen Spaß mehr verstehen?
Ich sah Robin an. Sie schüttelte den Kopf. Wir gingen. Diesmal erlaubte sie mir, ihr die Türe zu öffnen. Drückte sich, kaum daß sie saß, dagegen und blieb so sitzen.
»Müde?« fragte ich.
»Nein, überhaupt nicht.«
»Alles okay?«
»Hm.«
»Also wohin?«
»Macht es dir etwas aus, einfach eine Weile herumzufahren?«
»Überhaupt nicht.« Ich war auf der Fountain und fuhr nach Westen; bog nach rechts auf La Cienega ab, überquerte Sunset, fuhr in die Hollywood Hills hinauf. Robin blieb eng an die Beifahrertür gedrückt sitzen wie eine nervöse Anhalterin, die Augen geschlossen, stumm, das Gesicht abgewandt.
Sie kreuzte die Beine übereinander und legte eine Hand auf den Bauch, als ob es ihr dort weh täte.
Ein paar Minuten später legte sie den Kopf zurück und streckte die Beine aus. Obwohl sie, wie sie gesagt hatte, nicht müde sei, war sie wohl eingeschlafen. Als ich das Radio anknipste und eine Late-Jazz-Show fand, sagte sie: »Das ist nett.«
Ich fuhr weiter ohne eine Vorstellung wohin, kam irgendwo oben im Coldwater Canyon an, fuhr ihn dann immer weiter bis Mulholland Drive und bog nach links ab. Ein bißchen Wald, dann Lichtungen, die den nackten Felsen über dem weißglühenden Gitter des San Fernando Valley enthüllten.
Hier oben fühlte ich mich merkwürdig unbeholfen. Mulholland Drive war der von Hollywood geheiligte Begriff des Parking Spots. Wie viele Liebesszenen hatte man hier oben gedreht? Wie viele Blutopfer?
Ich fuhr langsamer, genoß den Blick und hielt die Augen offen wegen eventueller Drag-Racer und ähnlicher Ärgernisse. Robin schlug die Augen auf. »Warum parkst du nicht irgendwo?«
Die ersten paar Plätze waren schon von anderen Wagen besetzt. Ich fand eine von Eukalyptus beschattete Stelle, parkte und schaltete die Scheinwerfer aus. Wir waren nicht weit vom Beverly Glen; nur eine kurze Abfahrt nach Süden und wir wären zu Hause - ich jedenfalls.
Sie saß still an der Tür und sah ins Tal hinaus.
»Hübsch«, sagte ich, zog die Handbremse an und streckte mich.
Sie lächelte. »Die Postkartenansicht.«
»Es ist schön, mit dir zusammen zu sein«, ich streckte wieder die Hand nach ihr aus. Diesmal drückte sie sie nicht. Ihre Hand war warm aber schlaff.
»So«, sagte sie, »wie geht es deiner Freundin in Texas?«
»Ihrem Dad geht es schlechter. Er ist im Krankenhaus.«
»Das tut mir sehr leid.« Sie kurbelte ihr Fenster herunter und streckte den Kopf heraus.
»Bist du okay?«
»Schätze ja«, sagte sie und zog den Kopf wieder herein. »Warum hast du mich angerufen, Alex?«
»Ich war einsam«, sagte ich ohne zu überlegen. Der Jammerton gefiel mir nicht, aber sie schien er aufzuheitern. Sie nahm meine Hand, spielte mit meinen Fingern.
»Ich könnte auch einen Freund gebrauchen«, sagte sie.
»Du hast einen.«
»Es ist ziemlich hart gewesen. Ich will nicht heulen, - ich weiß, daß ich
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