Safer (S)EX (German Edition)
sie doch nicht im Ernst ebenso auf Distanz halten wollen wie alle anderen Menschen, abgesehen von mir und Rocket und den Kindern?“
„Himmel noch mal! Was habt ihr denn nur alle? Wie ich John schon sagte, waren wir tatsächlich eng befreundet, aber das ist doch ewig her. Und sie war es, die diese Freundschaft abgebrochen hat, nicht ich.“ Er bemerkte feine Risse in seiner sonst so glatten Fassade und mahnte sich zur Gelassenheit. Mit einem langen, tiefen Atemzug rief er sich das Bild der Rocky Mountains vor Augen. Er war ein Gletscher, kalt und undurchdringlich. Er verlor niemals die Kontrolle.
Er verspürte eine gewisse Befriedigung, als er nun mit gefasster und ruhiger Stimme sagen konnte: „Hör mal, ist Esme gerade in der Nähe? Ich rufe eigentlich ihretwegen an.“
„Ja, natürlich“, entgegnete sie mit so verständnisvoller Stimme, dass seine hart erkämpfte Gelassenheit für einen Moment wieder gefährdet war. „Warte einen Moment, ich hole sie.“
Er wurde in die Warteschleife gelegt und stellte sich vor, wie seine Schwester von ihrem Atelier unter dem Dach aus über die in jedem Zimmer installierte Gegensprechanlage ihre Tochter suchte.
Dann war er wieder verbunden und hörte die Stimme seiner Nichte. „Hallo, Onkel Jared!“
„Hallo, Affchen. Oder soll ich ‚große College-Absolventin‘ sagen? Meinen Glückwunsch! Tut mir leid, dass ich die Feier verpasst habe, aber das Geschenk ist unterwegs.“
„Das ist schön. Allerdings hast du überhaupt nichts verpasst.“ Dass sie die ersten sechs Jahre ihres Lebens in England verbracht hatte, war ihrer Stimme immer noch anzumerken. „Ich konnte meinen College-Abschluss gar nicht machen.“
„Was?“ Er nahm für einen Moment die Augen von der Straße und starrte entsetzt auf sein Handy. „Was ist passiert?“
„Wie sich herausstellte, zählt mein Französischunterricht aus der Highschool nicht, um meine Pflichtjahre an Fremdsprachenunterricht abzudecken. Das konnten sie mir natürlich jetzt erst sagen! Tja, und nun muss ich in den Sommerferien einen Französischkurs belegen.“
„Das tut mir leid.“ Er wartete eine Sekunde, dann fügte er hinzu: „Dann musst du mir das Geschenk wohl zurückschicken.“
„Mistkerl!“ Sie lachte. „Keine Chance. Deine Geschenke sind immer total cool!“
„Dann absolvierst du diesen Sommer also einen Kurs. Klingt doch nett. Was machst du in der übrigen Zeit? Dich am Pool räkeln?“
„Das wäre schön. Nein, ich arbeite stundenweise bei Daddy.“
„Was? Er lässt dich bei Semper Fi herumwuseln?“ Jared ließ seine Stimme übertrieben schockiert klingen. „Ein Mädchen, das noch nicht mal einen College-Abschluss hat? Wie groß sind die Chancen, dass unser Geschäft noch läuft, wenn ich zurückkomme?“
„Ziemlich groß, wenn man bedenkt, dass die gute Gert mich unbewacht nichts ausführen lässt. Sollte sie nicht längst im Ruhestand sein? Sie ist doch bestimmt schon achtzig!“
„Sie ist vierundsiebzig. Und wie stellst du dir ihren Ruhestand vor? Soll sie etwa Zierdeckchen häkeln?“
„Du klingst genau wie sie.“ Esme lachte. „Und ich muss zugeben, die Frau arbeitet wie eine Maschine. Ich muss mich ganz schön anstrengen, um mit ihr Schritt zu halten.“
„Ja, sie hält uns alle auf Trab“, stimmte Jared zu. „Hör zu, da vorne ist viel Verkehr, und ich glaube, es kommt eine Baustelle, also passe ich mal lieber wieder auf die Straße auf. Halt die Ohren steif, und wir sehen uns, wenn die Tournee durch Denver geht.“
„Mom hat uns für das Konzert schon Karten besorgt. Sie meint, ich hätte Priscilla Jayne schon mal gesehen, aber ich kann mich nicht mehr erinnern. Ihre neue CD kann man jedenfalls gut hören.“
Jared grinste. „Na, dann werde ich deine geradezu überschäumende Begeisterung mal weitergeben.“
„Nein, das kam jetzt nicht so richtig heraus. Ich dachte immer, dass Countrymusic eher öde ist, mit diesen jaulenden Gitarren und so, aber bei ihr ist das ganz anders. Ihre Stimme gefällt mir gut, und die Songs erzählen tolle Geschichten. Ich freue mich schon, sie live auf der Bühne zu erleben.“
„Sie zieht eine tolle Show ab“, sagte er und dachte an ihre energiegeladenen Spontan-Konzerte in drei Bundesstaaten. „Ich werde mal sehen, ob ich Backstagepässe für euch bekomme.“
„Das wäre prima.“
Nachdem er aufgelegt hatte, versuchte Jared, an nichts anderes zu denken als an den immer dichter werdenden Verkehr.
Doch als die Straße wieder frei war,
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