Sag niemals nie
erfahren?“
Er drehte sich kurz um und betrachtete sie.
„Wir fahren zu einem Anwesen, das ich letztes Jahr fertiggestellt habe. Eine berühmte Person hat es gekauft und es umweltfreundlich umbauen lassen. Ich möchte es dir zeigen. Vielleicht hörst du dann auf, alles zu glauben, was die Zeitungen über mich schreiben. Vielleicht begreifst du dann, dass ich nicht der leibhaftige Teufel bin.“
„Ich bezweifele, dass du mich überzeugen wirst“, erwiderte sie abschätzig.
Doch Angelo war bereits gegangen und hörte sie nicht.
6. KAPITEL
Zwei Stunden später musste Anna sich eingestehen, dass das Leben auf Angelos Yacht gar nicht so übel war. Eine Weile hatte sie sich im Whirlpool geaalt. Dann war Paolo, der Schiffskellner, mit einem köstlichen Imbiss bei ihr erschienen. Er hatte ihr frisches Obst, warme Brötchen und Kaffee gebracht. Nun hatte Anna es sich auf den weichen weißen Kissen einer Polsterliege bequem gemacht.
Fern von allem mitten auf dem Meer zu sein, gab ihr ein herrliches Gefühl der Freiheit. Es tat gut, allen Problemen buchstäblich davonsegeln zu können. Saskias boshafte Bemerkungen schienen Lichtjahre zurückzuliegen. Hier musste Anna sich nicht für das entschuldigen, was sie war.
Oder nicht war.
In ihrer Kindheit wusste sie nie, wo sie wirklich hingehörte. Nach England oder nach Frankreich. Nach Ifford Park oder nach Belle-Eden. Wirklich zu Hause hatte sie sich nirgends gefühlt.
„Anna.“
Schläfrig öffnete sie die Augen und reckte sich wohlig. „Hm?“
„Du solltest mal darüber nachdenken, das Schlafen zu deinem Beruf zu machen. Wach auf! Wir sind da.“
Etwas zu schnell sprang Anna auf. Ihr wurde schwindelig. Sie hätte wohl das Gleichgewicht verloren, wenn Angelo sie nicht aufgefangen hätte. Einen Moment lang blickte sie benommen auf seine gebräunte Brust. Dann machte sie sich los und trat einen Schritt zurück.
„Sonst schlafe ich nicht so viel. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.“ Sie sah verlegen zur Seite. „Vielleicht liegt es an der Seeluft.“
„Oder an mangelnder Bewegung.“ Amüsiert ließ er den Blick über ihren knappen Bikini schweifen. „Ehe wir an Land gehen, solltest du dir vielleicht etwas mehr anziehen.“
„Kein Problem!“ Ihr Lächeln war aufgesetzt. „Ich habe ja zum Glück mehrere Koffer voll Kleidung mit an Bord genommen!“
„Bestimmt habe ich etwas, das dir passt.“
„Sehr interessant, Angelo. Du hast also eine große Auswahl Damenkleidung in deinem Schrank.“ „Das nicht. Aber einige Bordgäste haben hier etwas vergessen.“ „Ach, so ist das! Wenn du glaubst, ich würde etwas von deinen vielen Geliebten anziehen, liegst du falsch.“
„Was hast du gegen meine Geliebten, Schatz? Gestern Abend wolltest du doch auch eine werden. Aber na gut, wenn du nicht willst …“
Vergeblich suchte Anna nach einer passenden Antwort.
„Also dann“, entschied er umgänglich, „gehen wir.“
Das Motorboot hielt am Anlegesteg der Villa Santa Domitilla. Um ihr beim Aussteigen zu helfen, hielt Angelo Anna die Hand hin. Sie griff jedoch nicht danach.
„Wo sind wir hier?“
Er war bereits die Hälfte des Bootsstegs entlanggegangen. Über die Schulter hinweg erwiderte er: „Sagen wir, auf einer unbekannten italienischen Insel. Die berühmte Besitzerin wäre untröstlich, wenn man die Lage verraten würde. Vor allem berüchtigten Unruhestiftern.“
„Ich dachte, die Besitzerin wäre umweltbewusst?“
Angelo nickte nur.
„Dann hat sie von uns nichts zu befürchten. Wir machen nur Ärger, wenn Leute umweltschädlich handeln.“
Was rede ich überhaupt, er hörte ohnehin nicht zu, sagte Anna sich erbost. Sie folgte Angelo eine in den Felsen gehauene Treppe hinauf.
Er wirkte in seinen Shorts und dem weißen Leinenhemd unverschämt frisch. Hätte sie sein Angebot bloß angenommen, etwas von ihm anzuziehen! Die Sonne brannte umbarmherzig auf ihre unbedeckten Schultern. Außerdem fühlte sich Anna in dem knappen Bikinioberteil und den kurzen Shorts unbehaglich nackt.
Und sie war völlig unpassend gekleidet. Das wurde ihr sofort bewusst, als sie das herrliche ockergelbe Anwesen vor sich sah.
„Früher war es ein altes Kloster“, erklärte Angelo. Er gab Nummern in die Tastatur des modernen Sicherheitsschlosses neben dem Eingangstor ein. „Die dicken Steinmauern helfen, Strom zu sparen.“ Die Flügel des mächtigen schmiedeeisernen Doppeltores schwangen auf. Bedächtig schlenderte er hindurch. Doch Anna blieb
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