Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
auf und zählte nach. Nach einer Weile nickte er zufrieden, rief seinem Kollegen an der Tür etwas zu und bedeutete Munárriz, er könne hinausgehen. Dem dritten, der an der Bar wartete, bedeutete er mit einem Nicken, dass alles in Ordnung sei. Daraufhin betraten alle drei mit Munárriz das Restaurant durch eine Tür zur Rechten.
»Der Tisch ganz hinten«, sagte der Mann mit der Narbe und blieb, wie seine Kollegen, in der Nähe der Tür stehen.
Munárriz wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass der kleine dickliche Kahlkopf mit den kräftigen Bauernhänden und einem Gesicht wie ein Mormonenprediger imstande sein könnte, mit einer Kalaschnikow kaltblütig wehrlose Männer, Frauen und Kinder niederzuschießen.
»Herr Munárriz«, begrüßte ihn Vrancić und forderte ihn auf, sich zu setzen. »Wie gefällt es Ihnen in meiner Heimat?«
»Gut, wirklich gut.«
»Das freut mich«, sagte er mit einem Lächeln.
»Kommen wir zur Sache«, knurrte Munárriz ärgerlich.
»Wollen Sie nicht mit mir essen?«
»Mir ist der Appetit vergangen.«
»Hier war es früher immer sehr gemütlich«, erinnerte sich Vrancić. Seine Stimme klang sehnsüchtig. »Sie müssen wissen, dass sich in diesem Restaurant auch die Bibliothek des Schriftstellerklubs befand. Bedauerlicherweise hat man die Bücher mittlerweile weggeschafft. Wollen Sie wirklich nicht essen?«
»Wissen Sie, um wen es sich bei dem Mann auf dem Foto handelt?«
»Selbstverständlich, mein Freund. Das herauszubekommen war nicht schwer.«
»Es hat mich aber eine schöne Stange Geld gekostet.«
»Bedenken Sie, dass ich Beamte bestechen und bei Leuten vorstellig werden musste, die mir einen Gefallen tun sollten – das kostet.« Munárriz sah, dass das Foto auf dem Tisch lag. »Der Mann heißt Andrija Penkala«, sagte Vrancić. »Zweiunddreißig Jahre alt, aus Blato, einem Dörfchen auf der Insel Korčula. Seine Eltern sind Weinbauern … Wissen Sie übrigens, dass von dort einer der besten Weißweine von ganz Kroatien kommt? Andrija wollte nichts mit dem Weinbau zu tun haben, den seine Familie seit Generationen betreibt. Er hat sich lieber hier in Zagreb zum Lehrer ausbilden lassen und anschließend an einer staatlichen Schule in Dubrovnik unterrichtet. Beim Angriff auf diese Stadt gehörte er zu den Freiwilligen, die sie verteidigt haben. Er ist am 6. Dezember 1991 bei einem schweren Artillerieangriff ums Leben gekommen. Damit ist die Geschichte zu Ende.«
»Er soll 1991 umgekommen sein?«, fragte Munárriz wie vor den Kopf geschlagen.
»Ja, mein Freund«, bestätigte Vrancić. »An dem Tag hat schwere Artillerie Dubrovnik mit über zweitausend Granaten eingedeckt, die in der Altstadt große Zerstörungen angerichtet und viele Menschen getötet haben.«
»Ist das sicher?«
»Zweifeln Sie an meinen Fähigkeiten?«, begehrte Vrancić leicht gekränkt auf. »Ich habe im nationalen Personenstandsarchiv wie auch in mehreren zivilen und militärischen Datenbanken nachgeforscht. Außerdem in den Akten des Roten Kreuzes, der Universität und dem Sterberegister. Daher kann ich Ihnen versichern, dass Penkala während des Krieges in Dubrovnik den Tod gefunden hat.«
»Kennen Sie die Anschrift seiner Eltern?«
»Natürlich«, sagte Vrancić und gab ihm ein Blatt Papier. »Hier ist sie.«
»Wie kommt man nach Korčula?«
»Ich sehe schon, Sie trauen mir nicht«, beschwerte sich Vrancić. »Von Dubrovnik aus gibt es vermutlich jeden Tag mehrere Fähren.«
Munárriz nahm das Foto wieder an sich, stand auf und verabschiedete sich. Er sah, wie Vrancić dem Mann mit der Narbe ein Zeichen machte, damit er ihn gehen ließ. Mit gleichmütigem Blick gab ihm der Mann seine Daewoo zurück.
Die Geschichte wurde immer verworrener. Falls die ihm von Vrancić gemachten Angaben zutrafen, hatte sich der Tote von Bogatell die Identität jenes Andrija Penkala angeeignet. Ebenso war es aber auch möglich, dass Penkala dem Orden von Hund und Hahn angehörte und beim Angriff auf Dubrovnik seinen Tod vorgetäuscht hatte, um unauffällig untertauchen zu können. Das musste er überprüfen. Er suchte das Büro der kroatischen Luftfahrtgesellschaft in der Zrinjevac Ulica auf und buchte einen Platz auf dem letzten Flug des Tages nach Dubrovnik. Seine Pistole wickelte er in Blasenfolie, legte sie in einen Karton, den er mit dem Hinweis »dringend« unter seinem Namen an das Hilton Imperial in Dubrovnik adressiert hatte, und brachte das Päckchen zu einem Kurierdienst. Die strengen
Weitere Kostenlose Bücher