Salomes siebter Schleier (German Edition)

verschiedenen Arten von Illusionen darstellten. Jedes Mal wenn ein Schleier fiel, wurde eine Illusion zerstört, bis endlich das große zentrale Geheimnis des Lebens enthüllt wurde.»
    «Was?», schrie Ellen Cherry. «Das habe ich nicht mitgekriegt.»
    Bevor Abu die Geschichte wiederholen konnte, kam die Nachricht von der anderen Seite der UN Plaza, dass die Polizei tatsächlich eine Art Bombe gefunden hatte, versteckt hinter dem Bambusbehang an einer Wand unweit des Podiums. Spike und Abu waren überrascht. Ellen Cherry dachte sofort an Buddy Winkler.
     
    Es war falscher Alarm. Die «Bombe» entpuppte sich als Kassettenrecorder mit Fernbedienung. Irgendjemand, wohl ein Kellner, hatte ihn dort versteckt, um heimlich das Orchester mit Salome am Tamburin aufzunehmen. «Wahrscheinlich wollte er sich mit dem Verscherbeln von Raubkassetten was dazuverdienen», folgerte Abu.
    «Ist das der alte amerikanische Traum oder der neue?», erkundigte sich Ellen Cherry bei Spike.
    «Nu, is besser fauler Kapitalismus als Bombe. Es wird allmählich bissel zu ruhig für die beiden Rettiche. Vielleicht die religiösen Sekten fangen an, endlich religiös zu werden.»
    «Weißt du was?», sagte Ellen Cherry. «Ich kann gar nicht verstehen, warum diese Sekten so populär sind. Okay, die Leute haben jemand, der ihnen das Denken abnimmt, aber was ist so toll daran? Sind sie wirklich nur faul, oder verschafft es einem einen heimlichen Kick, wenn man sein Bewusstsein kontrollieren lässt?»
    «Ich hege ernsthafte Zweifel daran, dass der Kick ein Faktor ist», sagte Abu. «Der Grad von Ordnung, den die Leute anstreben, steht immer in direkter Beziehung zum Chaos in ihnen selbst.»
    «Dann muss der alte Boomer so tumb sein wie ein Eimer voll Nüsse.» Lächelnd dachte sie einen Augenblick an Boomers Abneigung gegen alles, was geradlinig und eng war. «Zu schade, dass Sie ihn nie getroffen haben, Mr. Hadee. Ich habe das Gefühl, Sie wären gut mit ihm ausgekommen.»
    Abu und Spike warfen sich unbehagliche Blicke zu. So unbehagliche, dass Ellen Cherry Verdacht schöpfte. Sie musterte sie fragend. «Sollen wir es ihr erzählen?», fragte Abu.
    «Ja», antwortete Spike. «Sie hat ein Recht darauf, es zu erfahren.»
    «Was ist los, ihr beiden?»
    «Kein Grund zur Aufregung,
little darlink
. Nur, dass Abu und ich könnten in allernächster Zukunft deinen Boomer treffen.»
    «Sehen Sie, Ellen Cherry, letztes Jahr haben Spike und ich beschlossen, eine Skulptur für ein vom Krieg zerstörtes Viertel vor dem Jaffa-Tor von Jerusalem zu spenden, das gerade wieder aufgebaut wird. Wir hielten unsere Rolle geheim, weil wir gerade Probleme mit dem Restaurant hatten und unsere Partnerschaft ja nicht unumstritten war. Durch Mittelsmänner erteilten wir einem israelischen Bildhauer namens Zif, Amos Zif, den Auftrag.»
    «Ha!», rief Ellen Cherry aus. Man sah förmlich die Glühbirne über ihrem Kopf leuchten.
    «Ha, in der Tat. Nun, wir erfuhren bald genug, dass Zif seinerseits einen Partner gefunden hatte, einen Nichtisraeli, was wir ihm nicht übelnahmen, denn unsere grundlegende Absicht war es, ein Monument erbauen zu lassen, das eine Brücke zwischen den Kulturen schafft. Zugleich hörten wir von Ihnen, dass Boomer Petway an einer Statue in Jerusalem mitarbeitete. Erst vor kurzem aber zählten wir zwei und zwei zusammen und –»
    «Ich klinke aus», sagte Ellen Cherry. «Wenn die Welt noch kleiner wird, müssen wir alle eine Diät machen.»
    «Ja, aber wir haben ein Problem. Ihr Boomer macht doch diese großen Hühnchen …»
    «Truthahn. Einen großen Truthahn.»
    «Truthähne und Wolkenkratzerhosen und Einkommensteuererklärungen für Doppelagenten – was ist nicht gerade so, wie wir uns vorgestellt hatten.»
    «Verstehe.»
    «Wir sind ein wenig besorgt», sagte Abu. «Besorgt über das Image und besorgt über die Aussage. Deshalb haben wir darum gebeten, ein Modell der Skulptur sehen zu dürfen, bevor sie weitermachen.»
    «Da oder hier?»
    Simultan antworteten sie mit einem arabischen und einem jüdischen Achselzucken, fundamental ähnliche Bewegungen, doch so unterschiedlich in den Nuancen wie ein Fez und eine Yarmulke. «Die Antwort wir haben noch nicht erhalten», sagte Spike. Dann wandte er sich dem Bambusbehang zu, der nach der Invasion des Räumkommandos in Fetzen von der Wand hing wie die Bluse einer ausgepeitschten Ehebrecherin. «Wie teuer ist Mörtel?», fragte er.
     
    Es wurde vereinbart, die Wände im Isaac & Ishmael’s neu