Salvatore, R.A. - Todfeind2
Trottel in Dawsons Nähe zu bemerken.
Gwydre schickte ihm einen wütenden Blick. »Sind sie alle tot?«
»Wir haben keinen Lebenden mehr gefunden«, versicherte Dawson.
»Dann kann es keine kleine Streitmacht gewesen sein, mit der sie es zu tun hatten«, sagte Gwydre. »Wie? Wie konnte nur eine so große Schar so weit nach Süden vordringen?«
»Samhaistanische Magie«, flüsterte einer der Mönche von hinten, und alle drei Brüder stimmten in ihren braunen Kutten ein stummes Gebet zu ihrem heiligen Abelle an.
Gwydre erschien eher verärgert als beeindruckt. Dawson teilte ihre Meinung vollkommen.
»Es ist ein wildes Land, Milady«, sagte Dawson. »Wir sind nicht sehr zahlreich. Unsere Straßen werden kaum bewacht, und selbst wenn sie es wären, würde ein kurzer Marsch durch einen Wald sämtliche Wachtposten umgehen.«
»Erschwerend kommt noch ihre Entschlossenheit hinzu«, erwiderte Gwydre. Sie ging an Dawson vorbei und winkte ihm, ihr zu folgen. Dann bedeutete sie ihren eigenen Beratern und sogar Lady Darlia, ihrer besten Freundin, zurückzubleiben, damit sie und Dawson sich allein entfernen konnten.
Wie immer war Dawson zutiefst davon beeindruckt, wie sicher und kontrolliert Lady Gwydre den Befehl führte. Sie strahlte eine Aura von Sachkunde aus, die von Beginn an viele Mitglieder des Hofstaates auf der Burg Pellinor überrascht hatte. Gwydre war ein Vierteljahrhundert zuvor noch ein junges Mädchen gewesen, als ihr Vater, Fürst Gendron, schon seit Längerem Witwer, während der Jagd bei einem Sturz vom Pferd unerwartet ums Leben gekommen war. Gendron, der von den Bewohnern dieser nördlichen Wildnis namens Vanguard verehrt wurde, hatte die verstreuten und zum Teil grundverschiedenen Gemeinden mit »lockerer Faust« zusammengehalten. Dieser Ausdruck ging auf Gendron selbst zurück, auf seinen Vater vor ihm und auf seinen Großonkel, der davor Fürst von Pellinor gewesen war.
»Ich kann das nicht hinnehmen«, sagte Gwydre mit zusammengepressten Lippen und belegter Stimme. »Der Fall der Kapelle Pellinor hat Unruhe gestiftet, und das Volk wird noch beunruhigter reagieren, wenn sich die Nachricht vom Schicksal Tethmawles in den Wäldern verbreitet.«
»Befürchtet Ihr, dass sie die Kraft und die Fähigkeiten ihrer Lady in Frage stellen werden?«, fragte Dawson. Gwydre atmete zischend ein und sah ihn wütend an. Aber dieser Blick war nicht von Dauer, denn Dawson McKeege war vermutlich die einzige Person in ganz Vanguard, die Gwydre gegenüber diese nötige Offenheit an den Tag legen durfte.
»Erinnert Ihr Euch noch, wie Fürst Gendron starb?«, fragte Gwydre ernst.
»Ich war bei Euch, als wir die Nachricht erhielten.«
Gwydre nickte.
»Aye«, sagte Dawson und verstand den Wink. »Und damals begann das Gerede, die Klage – ›Warum hat der Fürst keinen Sohn gezeugt?‹«
»Je leiser ihre Stimmen waren, desto lauter erklangen sie«, versicherte ihm Gwydre. »Dieses Gerede war zum Teil auch der Grund, weshalb ich so plötzlich bereit war, Peiter zu heiraten.«
Dieses Eingeständnis verblüffte Dawson nicht im Mindesten. »Er war ebenso mein Freund wie auch Euer Ehemann. Ich vermute, dass auch er dieses Gerede hörte und nicht ertragen konnte, seine geliebte Gwydre in einer solchen Lage zu sehen.«
»Ich war eine junge Frau, kaum mehr als ein Mädchen«, gab Gwydre zu. »Und in meinem bisherigen Leben hatte ich nichts getan, womit ich ihr Vertrauen hätte gewinnen können oder sollen. Sogar Jahre später, als Peiter starb, hatten sie berechtigte Zweifel – hinsichtlich meiner.«
»Das war vor fünfzehn Jahren, Milady«, erinnerte Dawson sie. »Und noch vor Eurem dreißigsten Geburtstag. Befürchtet Ihr, dass sie noch immer an Euch zweifeln?«
»Wir befinden uns in einem hoffnungslosen Krieg.«
»Das ist eben Vanguard! Wir befinden uns immer in irgendeinem Krieg. Die Wälder sind voller Kobolde, an der Küste wimmelt es von Pauris, im Nordland treiben die Trolle ihr Unwesen, und noch nie in meinem Leben habe ich eine unangenehmere Bande als diese alpinadorischen Barbaren kennengelernt.«
»Das hier ist etwas anderes gewesen, Dawson«, sagte Gwydre. Ihr Tonfall besänftigte den Mann mehr als ihre Worte. Denn dort lag die Wahrheit, die keiner von ihnen leugnen konnte. Lady Gwydre hatte sich einen Geliebten genommen, einen abellikanischen Bruder, und in den zwei Jahren ihrer Verbindung hatte der Einfluss dieser besonderen Kirche in ihrem Lehen und weiter in ganz Vanguard beträchtlich zugenommen –
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