Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
sich der Verzweiflung hinzugeben. Sie waren doch so tapfer bisher. Arpad war voller Bewunderung, und es bedarf schon einigen Mutes, um ihn zu beeindrucken. Diese Charakterstärke brauchen Sie jetzt. Verlieren Sie sich nicht, bevor Sie zu Hause sind. Was sollen die Leute denken? Wir versuchen doch, alle zu überzeugen, daß nichts Interessantes geschehen ist. Also bitte ich Sie jetzt inständig, sich noch ein wenig zusammenzunehmen. Es ist weiß Gott nicht Ihre Schuld, daß Sie kein arkanes Talent besitzen.“
„Jedenfalls keines, das hier helfen würde. Ich könnte Ihnen sagen, wenn jemand versuchte, mich zu manipulieren. Doch das ist auch schon alles. Und ändern könnte ich es auch nicht.“
„Ich weiß. Es macht nichts.“
„Es macht doch etwas. Diese Männer ...“
„Diese Männer sind österreichische Soldaten, meine Liebe, unsere Landsleute. Haben Sie etwas Vertrauen in die zivilisatorischen Werte unseres eigenen Landes.“
Doch Charly hatte dieses längst verloren. Sie erinnerte sich nur an ein Schwert, das bei der Schlacht von Leipzig zum Einsatz gekommen und dazu auserkoren worden war, ihr den Kopf vom Rumpf zu trennen. So zivilisiert war er gewesen in seinen Methoden, dieser österreichische Gentleman, der ihr doch genausogut den Schädel hätte einschlagen können oder den Hals umdrehen. Sie waren alle so zivilisiert, all diese wohlanständigen, gut erzogenen Herren. Sie töteten in der Überzeugung, recht zu haben.
Ihr war schwindlig. Dann hatte sie eine Idee.
„Das Wasser kann ihn erreichen. Er steht direkt davor. Vielleicht kann Mrs. Fairchild ...“
Die beiden Frauen blickten einander an. „Das ist sinnlos, Charlotte. Sie machen sich etwas vor. Sie ist längst vergangen.“
„Sie ist Wasser. Vielleicht ...“
„Nun, versuchen Sie es, wenn Sie meinen.“
Charly ließ beide Hände in die Fluten baumeln. Das eisige Wasser machte sie fast taub. Sie schloß ihre Augen und versuchte, sich darauf zu konzentrieren, wie sie ihren Geist und ihr Wesen geöffnet hatte, um dem Sí Zutritt und Kontrolle zu überlassen. Mehr konnte sie nicht. Vielleicht würde dieser Geisteszustand sie selbst verständlicher machen.
„Mrs. Fairchild“, flüsterte sie – und dann: „Corrisande! Sind Sie da im Wasser?“ Sie versuchte, sich das Bild des rauhen, harten Mannes vor Augen zu halten, der dort am anderen Ufer stand, kaum mehr als ein Punkt in der Landschaft. Jede Linie seines schroffen, kantigen Gesichtes versuchte sie sich vorzustellen, seine strengen Augenbrauen, seine gelben Augen. Dieses Bild behielt sie im Kopf, versuchte, sich jedes Detail der letzten Konversation mit ihm ins Gedächtnis zu rufen, einschließlich seiner Berührung, als er ihre Verletzung untersucht hatte. Seine Hände waren unerwartet sanft gewesen, von größerer Zärtlichkeit, als sie ihm zugetraut hätte.
„Er braucht Sie“, fuhr sie fort. „Tun Sie etwas! Lassen Sie ihn sich umdrehen, damit er die Gefahr kommen sieht. Seine Gedanken sind allein bei Ihnen. Da werden sie immer sein. Helfen Sie ihm!“
Damit er sich mit seinen traurigen Augen umsieht, wollte sie noch hinzufügen, denn sie konnte sich an diese Augen ganz besonders klar erinnern. Kritische, scharf blickende helle Augen, von schwarzen Wimpern umrahmt.
Ein reißender Schmerz durchfuhr ihren Kopf, und sie schrie auf, kämpfte verzweifelt gegen die Dunkelheit, die sich wie Wände eines Tunnels um ihre Sicht aufbauten. Ihr Magen rebellierte. „Geh nach Hause!“ sagte eine arrogante Stimme direkt in ihrem Kopf. „Versuche keinen billigen Hokuspokus auf meinem See, Menschlein. Geh heim, und vielleicht besuche ich dich ja einmal, um die Lektion in Liebe zu beenden, die mein Vetter unvollendet gelassen hat. Vielleicht werde ich das tun, in einer mondlosen Nacht, wenn ich nichts Besseres zu tun habe und gerade kein hübscheres Mädchen zur Verfügung steht.“
Ihre Hände flogen ihr an die Schläfen. Als ihre Sicht sich klärte und sie ihre Umgebung wieder erkennen konnte, blickte sie direkt in das besorgte Gesicht ihrer Begleiterin.
„Haben Sie sie erreicht?“
Charly schüttelte den Kopf. „Seine Durchlaucht habe ich erreicht. Er verbat sich meine Einmischung. Er war ... uncharmant.“
Das Boot erzitterte, als wäre es auf einem Felsen aufgelaufen. Der Ruderer fluchte laut. Frau Treynstern hielt sich mit beiden Händen an den Bootswänden fest.
„Achten Sie auf Ihr Benehmen. Wir sind nur Durchreisende in seinem Reich“, mahnte sie.
„Tut mir leid“,
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