Saturn
zehnminütiger Verspätung
zur Tür hereinkam, wirkte er so angespannt und wachsam wie
jemand, der sich in ein Minenfeld vorwagt. Cardenas
versuchte ihn zu beruhigen, indem sie ihm das kleine, peinlich
saubere Labor zeigte.
»Das ist der Montagebereich«, sagte sie und deutete auf zwei
quaderförmige Gebilde aus Edelstahl, die auf einer Laborbank
ruhten. Die Vorderseiten der Behälter waren mit Skalen und
Reglern übersät. »Die Nanomaschinen-Prototypen werden
hier drin montiert…« ‒ sie patschte auf einen der
brotkastengroßen Behälter ‒, »und dann reproduzieren die
Prototypen sich dort.«
Urbain hielt einen gebührenden Sicherheitsabstand vom
Apparat ein. Und als Cardenas den Deckel eines Behälters
anhob, zuckte er tatsächlich zusammen.
Cardenas musste sich beherrschen, dem Mann das nicht mit
einem Stirnrunzeln zu vergelten. »Dr. Urbain, hier gibt es
nichts, was Ihnen oder sonst jemandem schaden könnte.«
Das beruhigte Urbain nicht im Geringsten. »Vom Kopf her
verstehe ich es. Trotzdem… ich bin nervös. Verzeihung, aber
ich vermag es nicht zu ändern.«
Sie lächelte geduldig. »Ich verstehe. Na denn, kommen Sie
bitte mit zur Hauptkonsole.«
Für über eine Stunde zeigte Cardenas Urbain, wie
Nanomaschinen konstruiert und gebaut wurden. Wie sie sich
strikt gemäß voreingestellter Anweisungen reproduzierten.
»Das sind Maschinen«, wurde sie nicht müde zu betonen.
»Sie mutieren nicht. Sie vermehren sich auch nicht
unkontrolliert. Und sie werden durch eine Dosis weichen
ultravioletten Lichts deaktiviert. Im Grunde sind sie
empfindlich.«
Während Tavalera das Rasterkraftmikroskop von der
Hauptkonsole aus bediente, zeigte Cardenas Urbain, wie die
von ihr konstruierten Nanomaschinen die kontaminierenden
Moleküle an der Außenseite von Gaetas Anzug in harmloses
Kohlendioxid, Wasserdampf und Stickoxide aufspalteten.
»Der Anzug wird in fünf Minuten perfekt sauber«, sagte sie
und wies auf das Bild, das von der Konsole projiziert wurde.
»Die Rückstände gasen aus und verflüchtigen sich.«
Anscheinend neugierig beugte Urbain sich über Tavaleras
Schulter und betrachtete aufmerksam die Daten und Bilder.
»Alle organischen Stoffe werden entfernt?«
Cardenas nickte und sagte: »Bis auf die molekulare Ebene
hinunter werden sie spurlos getilgt.«
»Und die Nanobots selbst?«
»Wir deaktivieren sie mit einer UV-Dosis.«
»Aber sie haften noch immer an der Anzugoberfläche. Sind
sie in der Lage, sich selbst zu reaktivieren?«
»Nein«, sagte Cardenas. »Wenn sie einmal deaktiviert sind ‒
aus die Maus. Sie zerfallen.«
Urbain richtete sich langsam wieder auf.
»Wie Sie sehen, sind wir durchaus imstande, den Anzug zu
dekontaminieren«, sagte Cardenas.
»Nicht nur den Anzug«, sagte Urbain und schaute an ihr
vorbei. »Dieser Prozess könnte für die Dekontaminierung
jeden Ausrüstungsgegenstands angewandt werden, den wir
auf die Titanoberfläche hinunterschicken.«
»Ja, das wäre möglich«, pflichtete Cardenas ihm bei.
Zum ersten Mal, seit Urbain das Nanotech-Labor betreten
hatte, lächelte er.
273 Tage bis zur Ankunft
»Dieser Berkowitz muss verschwinden!«, verlangte Eberly.
Wilmot sank auf seinem bequemen Bürostuhl zusammen; er
war überrascht von der Vehemenz, mit der der Leiter der
Abteilung Human Resources sein Ansinnen vortrug.
»Was gibt Ihnen eigentlich das Recht, sich in die Arbeit der
Kommunikationsabteilung einzumischen?«, fragte er leise.
Eberly hatte sich in die Sache hineingesteigert. Seit Wochen
hatte Vyborg ihn unter Druck gesetzt und gedroht, auf eigene
Faust zu handeln, wenn Eberly Berkowitz nicht entfernen
konnte oder wollte. Vyborg wollte partout Leiter der
Kommunikationsabteilung werden, und das Ende seines
ohnehin kurzen Geduldsfadens war nun erreicht. »Entweder
Sie lassen ihn entfernen, oder ich werde mich selbst darum
kümmern«, sagte der zornige kleine Mann. »In ein paar
Monaten werden wir in eine Umlaufbahn um den Saturn
gehen. Ich will Berkowitz bis dahin aus dem Weg haben. Je
eher, desto besser!«
Eberly wusste, dass dies ein Machtkampf war. Vyborg
würde sich nicht gegen ihn stellen, sofern er nicht den
Eindruck bekam, dass Eberly ihn bewusst hinhielt. Wenn ich
ihm nicht Berkowitz' Kopf bringe, sagte Eberly sich, wird
Vyborg den Glauben an mich verlieren und mir den Gehorsam
verweigern. Also hatte er gar keine andere Wahl, als sich mit
Wilmot anzulegen.
Morgenthau hatte nichts gefunden,
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