Saturn
Lücken klaffen
zwischen den großen Ringen, leere Räume, die durch die
Anziehungskraft der über dreißig Saturnmonde geschaffen
werden. Die Ringe werden von kleinen ›Hirtenmonden‹
begleitet, von kleinen Satelliten, die unmittelbar außer- und
innerhalb eines jeden Rings kreisen und sie durch ihren
minimalen gravitationalen Einfluss anscheinend in Position
halten. Die Ringe sind quasi autark: In dem Maß, wie der
Planet Partikel ansaugt, werden durch die Kollisionen mit den
herumwirbelnden Teilchen ständig neue Partikel von den
Hirtenmonden abgesplittert. Auf der Bahn um den Planeten
unterliegen diese kleinen Satelliten einem Dauer-
Bombardement durch den Schauer winziger Eispartikel, durch
den sie hindurch fliegen und ›abgeschmirgelt‹ werden.
Die Hauptringe bestehen eigentlich aus Hunderten dünner
Ringe, die miteinander verwoben zu sein scheinen. Von
Raumfahrzeugen gemachte Fotos mit langer Belichtungsdauer
zeigen geheimnisvolle Speichen, die die größten Ringe
durchbohren: Muster aus Licht und Dunkelheit, die ebenso
unerklärlich wie faszinierend sind. Vielleicht lädt die starke
Magnetosphäre des Saturn die Staubpartikel elektrisch auf
und versetzt sie dann in Bewegung, wodurch dieser Speichen-
Effekt auftritt.
Der Planet selbst gibt dem wissbegierigen Forscher von der
Erde nach wie vor Rätsel auf. Wie der massivere Jupiter wird
Saturn von innen erhitzt, wobei der Kern aus
Gesteinsschmelze unter dem Druck der Riesenwelt, die auf
ihm lastet, siedet. Jedoch ist der Saturn kleiner als Jupiter,
weiter von der Sonne entfernt und deshalb kälter. Wo der
Jupiter eine blühende Biosphäre aus fliegenden Organismen in
seiner dicken Wasserstoff-Atmosphäre beherbergt und eine
sogar noch komplexere Ökologie schwimmender Lebewesen
im tiefen, den Planeten umspannenden Ozean, scheint es auf
dem Saturn kein Leben zu geben außer den kälteadaptierten
Mikroben, die sich in der oberen Wolkenschicht tummeln.
»Der Saturn ist eine Sackgasse, was multizelluläres Leben
betrifft«, verkündete ein enttäuschter Astrobiologe, nachdem
die ersten Sonden den riesigen Ozean untersucht hatten, der
unter den ewigen Wolken der beringten Welt brodelt, »gerade
oberhalb der Schwelle der Bewohnbarkeit für etwas
Komplexeres als einzellige Organismen.
Nur ein bisschen wärmer, und wir hätten ein Duplikat von
Jupiter gehabt«, fügte er melancholisch hinzu.
Unter den Milliarden von Eispartikeln, aus denen die Ringe
bestehen, haben Robotsonden präbiologische und chemische
Aktivitäten entdeckt, aber Indizien für lebende Organismen
sind bisher noch nicht gefunden worden.
Saturns großer Mond, Titan, ist indes ein ganz anderer Fall.
Dort existiert nämlich eine reichhaltige Ökologie aus
kohlenwasserstoffbasierten Mikroben, wodurch Titan für die
Erschließung oder industrielle Nutzung von vornherein
ausscheidet. Niemand außer Wissenschaftlern darf sich Titan
überhaupt nähern, und selbst sie dürfen nichts anderes auf die
Oberfläche hinunterschicken als gründlich sterilisierte
Robotsonden.
Die wissenschaftliche Gemeinschaft und die internationale
Astronauten-Behörde stimmen darin überein, dass Menschen
Titans Ökologie nicht der Bedrohung durch Kontamination
aussetzen dürfen.
Andere stimmen damit jedoch nicht überein.
Abteilungsinternes Memorandum
An:
das Personal der Abteilung Human Resources
Von:
R. Morgenthau, Amtierende Direktorin
Betreff:
Gebetskreise
Mehrere Mitarbeiter haben um eine Klarstellung gebeten, wie
die Abteilung die Frage von Gebetskreisen handhabt. Obwohl
die Habitatsbestimmungen solche Veranstaltungen während
der Arbeitszeit nicht ausdrücklich vorsehen, sind sie durch
besagte Bestimmungen andererseits auch nicht untersagt.
Deshalb wird die Abteilung diese Angelegenheit so
handhaben, dass die HR-Mitarbeiter während der Arbeitszeit
Gebetskreise abhalten dürfen ‒ vorausgesetzt, dass solche
Veranstaltungen vorher mit der Amtierenden Direktorin
abgestimmt werden und dass solche Veranstaltungen eine
Dauer von nicht mehr als dreißig (30) Minuten haben.
Die Teilnahme der Belegschaft an den Gebetskreisen ist
ausdrücklich erwünscht. Die Abteilung Human Resources
wird außerdem alle anderen Abteilungen ermutigen, in dieser
Angelegenheit ähnlich zu verfahren. Diejenigen, die gegen
Gebetskreise sich aussprechen, sind offensichtlich bestrebt,
ihre säkularistischen Ansichten der allgemeinen Population
dieses Habitats
Weitere Kostenlose Bücher