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Saturn

Saturn

Titel: Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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und blendete die Ansicht seiner alten
    Heimat aus. Willkommen in der Realität, sagte er sich und
    befahl dem Bürocomputer, die Tür vom Vorzimmer zu öffnen.
    Malcolm Eberly trat ein. Er wurde von einer jungen
    Assistentin begleitet, einer langbeinigen, dunkelhäutigen,
    jungen Frau. Sie trug ein lindgrünes Gewand, das ihre
    schlanken Beine gut zur Geltung brachte. Sie hatte keine
    Accessoires außer einem Namensschild. Sie ist bloß ein naives
    kleines Dummchen für ihn. Wilmot lächelte beinahe. Wenn du
    glaubst, du könntest mich mit ihr kirre machen, mein Junge,
    dann bist du schief gewickelt.
    »Kommen Sie herein! Setzen Sie sich«, sagte Wilmot mit
    einem jovialen Lächeln. »Gut, dass Sie so rasch gekommen
    sind.«
    Eberly war mit einem himmelblauen Gewand und einer
    taubengrauen Hose bekleidet. Wilmot stellte mit seinem
    geschulten Blick fest, dass er Schulterpolster trug.
    »Wenn der Vorsitzende des Verwaltungsrates ruft«, sagte
    Eberly laut, »tut man gut daran, sofort zu kommen.«
    Wilmot nickte wohlwollend und sagte: »Es ist schön, Sie
    wieder zu sehen, Miss Lane.«
    Im ersten Moment schaute sie überrascht und lächelte dann
    erfreut, weil der Verwaltungschef sich an ihren Namen
    erinnerte. Dabei vergaß sie allerdings, dass er auf dem
    Namensschild über der linken Brust prangte.
    »Ich habe mir die Ansprache angeschaut, die Sie gestern
    Abend gehalten haben«, sagte Wilmot zu Eberly. »Sehr
    beeindruckend.«
    Eberly verschränkte die Hände wie zum Gebet. »Es freut
    mich, dass Sie das so sehen.«
    »Ihnen ist aber schon klar, dass wir nicht befugt sind,
    Änderungen an den Durchführungsbestimmungen
    vorzunehmen, bevor wir nicht den Saturnorbit erreicht
    haben.«
    »Ich wüsste nicht, weshalb wir noch warten sollten«, sagte
    Eberly mit einem leichten Kopfschütteln.
    »Ich auch nicht«, sagte Wilmot. »Aber die Bestimmungen
    sind nun einmal in Kraft, und wir alle waren damit
    einverstanden, sie zu befolgen. Sagen Sie, wieso haben Sie es
    eigentlich so eilig, die Dinge zu ändern?«, fragte Wilmot,
    bevor Eberly zu antworten vermochte. »Gibt es vielleicht
    irgendwelche Probleme, von denen ich nichts weiß?«
    Eberly schürzte die Lippen und tippte mit den Fingern
    dagegen. Er will Zeit schinden, erkannte Wilmot.
    »Die Vorschriften sind zu starr«, antworte Eberly schließlich.
    »Sie bieten den Leuten keine Flexibilität. Sie wurden von
    Verwaltungsfachleuten und Akademikern verfasst…«
    »Wie ich einer bin«, warf Wilmot mit einem humorvollen
    Lächeln ein.
    »Ich wollte sagen, Verwaltungsfachleute und Akademiker,
    die auf der Erde geblieben sind; politische Theoretiker, die die
    Erde noch nie verlassen haben und es auch nicht vorhaben.«
    Wilmot beugte sich auf dem Stuhl vor und schaute auf die
    junge Frau. »Miss Lane, haben Sie das Gefühl, dass unsere
    bestehenden Protokolle Sie einengen?«
    Konsterniert machte sie große Augen und schaute dann
    Eberly an.
    »Miss Lane?«, wiederholte Wilmot. »Engen wir Sie ein?«
    »Ich bin noch nie auf der Erde gewesen«, erwiderte Holly
    langsam und bedächtig. »Zumindest erinnere ich mich nicht
    an mein dortiges Leben. Soweit ich weiß, habe ich mein ganzes
    Leben in Selene verbracht. Und nun natürlich hier im Habitat.
    Das Leben in Selene war…« ‒ sie suchte nach dem passenden
    Wort ‒ »nun, in mancherlei Hinsicht leichter. Ich meine, wenn
    ein Problem auftrat, vermochte man immer ein
    Regierungsgremium um Hilfe zu bitten. Wie zum Beispiel bei
    der monatlichen Wasserzuteilung oder wenn es darum ging,
    ein größeres Quartier zu bekommen.«
    »Und wir haben keine solchen Petitions-Gremien«, sagte
    Wilmot leise.
    »Nein, haben wir nicht«, erwiderte Holly. »Alles ist
    zementiert. Da sind die Regeln und sonst nichts. Ende der
    Geschichte.«
    Wilmot befingerte nachdenklich den Bart.
    »Das eigentliche Problem«, platzte Eberly heraus, »ist, dass
    diese Bestimmungen von Leuten erlassen wurden, die in einer
    Welt leben, die streng kontrolliert werden muss. Sie sind alle
    der gleichen grundlegenden Überzeugung, dass die
    Gesellschaft hierarchisch sein und von oben kontrolliert
    werden müsse.«
    Wilmot freute sich, dass die Diskussion sich nun auf sein
    Interessengebiet verlagerte. »Werden denn nicht alle
    Gesellschaften von oben kontrolliert? Selbst die so genannten
    Demokratien werden von einer kleinen Elite regiert; der
    einzige Unterschied ist lediglich, dass eine Demokratie ihre
    Elite ohne Blutvergießen auszuwechseln und der

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