Saturn
und blendete die Ansicht seiner alten
Heimat aus. Willkommen in der Realität, sagte er sich und
befahl dem Bürocomputer, die Tür vom Vorzimmer zu öffnen.
Malcolm Eberly trat ein. Er wurde von einer jungen
Assistentin begleitet, einer langbeinigen, dunkelhäutigen,
jungen Frau. Sie trug ein lindgrünes Gewand, das ihre
schlanken Beine gut zur Geltung brachte. Sie hatte keine
Accessoires außer einem Namensschild. Sie ist bloß ein naives
kleines Dummchen für ihn. Wilmot lächelte beinahe. Wenn du
glaubst, du könntest mich mit ihr kirre machen, mein Junge,
dann bist du schief gewickelt.
»Kommen Sie herein! Setzen Sie sich«, sagte Wilmot mit
einem jovialen Lächeln. »Gut, dass Sie so rasch gekommen
sind.«
Eberly war mit einem himmelblauen Gewand und einer
taubengrauen Hose bekleidet. Wilmot stellte mit seinem
geschulten Blick fest, dass er Schulterpolster trug.
»Wenn der Vorsitzende des Verwaltungsrates ruft«, sagte
Eberly laut, »tut man gut daran, sofort zu kommen.«
Wilmot nickte wohlwollend und sagte: »Es ist schön, Sie
wieder zu sehen, Miss Lane.«
Im ersten Moment schaute sie überrascht und lächelte dann
erfreut, weil der Verwaltungschef sich an ihren Namen
erinnerte. Dabei vergaß sie allerdings, dass er auf dem
Namensschild über der linken Brust prangte.
»Ich habe mir die Ansprache angeschaut, die Sie gestern
Abend gehalten haben«, sagte Wilmot zu Eberly. »Sehr
beeindruckend.«
Eberly verschränkte die Hände wie zum Gebet. »Es freut
mich, dass Sie das so sehen.«
»Ihnen ist aber schon klar, dass wir nicht befugt sind,
Änderungen an den Durchführungsbestimmungen
vorzunehmen, bevor wir nicht den Saturnorbit erreicht
haben.«
»Ich wüsste nicht, weshalb wir noch warten sollten«, sagte
Eberly mit einem leichten Kopfschütteln.
»Ich auch nicht«, sagte Wilmot. »Aber die Bestimmungen
sind nun einmal in Kraft, und wir alle waren damit
einverstanden, sie zu befolgen. Sagen Sie, wieso haben Sie es
eigentlich so eilig, die Dinge zu ändern?«, fragte Wilmot,
bevor Eberly zu antworten vermochte. »Gibt es vielleicht
irgendwelche Probleme, von denen ich nichts weiß?«
Eberly schürzte die Lippen und tippte mit den Fingern
dagegen. Er will Zeit schinden, erkannte Wilmot.
»Die Vorschriften sind zu starr«, antworte Eberly schließlich.
»Sie bieten den Leuten keine Flexibilität. Sie wurden von
Verwaltungsfachleuten und Akademikern verfasst…«
»Wie ich einer bin«, warf Wilmot mit einem humorvollen
Lächeln ein.
»Ich wollte sagen, Verwaltungsfachleute und Akademiker,
die auf der Erde geblieben sind; politische Theoretiker, die die
Erde noch nie verlassen haben und es auch nicht vorhaben.«
Wilmot beugte sich auf dem Stuhl vor und schaute auf die
junge Frau. »Miss Lane, haben Sie das Gefühl, dass unsere
bestehenden Protokolle Sie einengen?«
Konsterniert machte sie große Augen und schaute dann
Eberly an.
»Miss Lane?«, wiederholte Wilmot. »Engen wir Sie ein?«
»Ich bin noch nie auf der Erde gewesen«, erwiderte Holly
langsam und bedächtig. »Zumindest erinnere ich mich nicht
an mein dortiges Leben. Soweit ich weiß, habe ich mein ganzes
Leben in Selene verbracht. Und nun natürlich hier im Habitat.
Das Leben in Selene war…« ‒ sie suchte nach dem passenden
Wort ‒ »nun, in mancherlei Hinsicht leichter. Ich meine, wenn
ein Problem auftrat, vermochte man immer ein
Regierungsgremium um Hilfe zu bitten. Wie zum Beispiel bei
der monatlichen Wasserzuteilung oder wenn es darum ging,
ein größeres Quartier zu bekommen.«
»Und wir haben keine solchen Petitions-Gremien«, sagte
Wilmot leise.
»Nein, haben wir nicht«, erwiderte Holly. »Alles ist
zementiert. Da sind die Regeln und sonst nichts. Ende der
Geschichte.«
Wilmot befingerte nachdenklich den Bart.
»Das eigentliche Problem«, platzte Eberly heraus, »ist, dass
diese Bestimmungen von Leuten erlassen wurden, die in einer
Welt leben, die streng kontrolliert werden muss. Sie sind alle
der gleichen grundlegenden Überzeugung, dass die
Gesellschaft hierarchisch sein und von oben kontrolliert
werden müsse.«
Wilmot freute sich, dass die Diskussion sich nun auf sein
Interessengebiet verlagerte. »Werden denn nicht alle
Gesellschaften von oben kontrolliert? Selbst die so genannten
Demokratien werden von einer kleinen Elite regiert; der
einzige Unterschied ist lediglich, dass eine Demokratie ihre
Elite ohne Blutvergießen auszuwechseln und der
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