saved by an Angel
helfen, aber er meinte, ihm sei etwas dazwischengekommen und wir könnten uns nicht treffen.«
Engel, passt auf ihn auf, betete Ivy schweigend. Steckte Will mittlerweile tiefer in der Sache drin? Arbeitete er jetzt für Gregory, so wie es früher Eric getan hatte? Engel, beschützt ihn, betete sie unwillkürlich.
»Meine Damen«, rief Mr McDivitt zu ihnen hinaus, »wir hier drinnen befassen uns jetzt mit Englisch. Wie sieht es mit Ihnen da draußen aus?«
Ivy verbrachte den Englischkurs und jeden Kurs danach damit, Räder mit Einkerbungen zu zeichnen. Sie rief ständig nach Tristan. Jede Stunde des Tages schien sich - wie ein Akkordeon - zuerst auszudehnen und dann in sich zusammenzufallen: Jede Stunde schleppte sich Minute um Minute dahin, mit einem Mal war sie plötzlich vorbei und brachte Ivy dem, was Gregory als Nächstes vorhatte, ein Stück näher. Ivy wäre gern auf einen Tisch geklettert und hätte die Uhr vorgestellt, die Räder in Bewegung gebracht.
Räder ... Uhren, überlegte sie. Uhren hatten Zahnräder, Räder mit Einkerbungen - und alte Uhren, wie die auf dem Kamin im Esszimmer zu Hause, hatten auch Schlüssel, mit denen man das Gehäuse aufschließen konnte. Warum war ihr das nicht früher eingefallen? In Beths Traum bewegten sich die Räder in eine Richtung, dann streckte Ivy die Hand aus und schob sie in die andere Richtung - sie drehte die Zeit zurück, schickte sie zurück in die Vergangenheit. Damals hatte Caroline in der Baines-Villa auf dem Berg gelebt. Sie konnte vor langer Zeit etwas in der Kaminuhr versteckt haben. Vielleicht lag die Lösung des Rätsels zu Hause.
Ivy sah erneut auf die Uhr an der Wand des Klassenzimmers. Die letzte Stunde an diesem Tag dauerte noch fünfundzwanzig Minuten. Ihre Mutter wäre unterwegs, um Philip abzuholen, und Gregory hätte noch Unterricht. Das war ihre Chance. Als sie eine schriftliche Aufgabe bekamen, ging sie mit ihren Büchern nach vorn. »Mrs Carson«, sagte sie kläglich.
Die Lehrerin entließ sie sofort und Ivy sparte sich die Abmeldung im Sekretariat. Fünfzehn Meter hinter dem Schultor fing sie zu rennen an, um zu ihrem Wagen zu kommen.
Ein kühler Herbstregen hatte eingesetzt und hüllte die Stadt in Nebel. Ivy fuhr zwei Blocks, bevor sie auf die Idee kam, ihre Scheibenwischer einzuschalten. Sie trat schnell und heftig auf die Kupplung, bremste und beschleunigterer Verkehr in den schmalen Straßen machte sie ungeduldig. Ella versuchte immer wieder, auf ihren Schoß zu klettern. »Halt durch, Kätzchen!«
Als sie schließlich die Auffahrt erreichte, raste sie den Berg hinauf, hielt mit einem Ruck vor dem Haus, sprang aus dem Wagen und ließ die Autotür offen stehen. Ihre Hände zitterten vor Aufregung, als sie die Haustür aufschloss und die Alarmanlage ausschaltete.
Ivy rannte durch die Küche ins Esszimmer. Auf dem Kamin stand die hohe Mahagoniuhr mit dem schönen mondgleichen Gesicht und dem goldenen Pendel, das gleichmäßig hinter dem bemalten Glas hin- und herschwang.
Ivy zog den Schlüssel hervor und steckte ihn in das Schloss. Sie drehte ihn vorsichtig nach links, dann nach rechts. Es klickte und das Türchen öffnete sich.
Sie erwartete, sofort etwas zu sehen. Doch da war nichts und einen Augenblick lang stockte ihr der Atem. Ist doch klar, sagte sie sich. Jemand muss die Uhr aufziehen, noch jemand hat einen Schlüssel - vermutlich wohl Andrew - das, was immer es war, würde nicht einfach für alle sichtbar daliegen. Sie griff vorsichtig in den Uhrenkasten und hielt das Pendel an, dann schob sie die zweite Hand hinein und tastete die Innenwand ab.
Sie brauchte einen Stuhl, um sich im Uhrwerk bis nach oben vorzutasten. Langsam schob sie ihre Hand weiter in das Holzgehäuse. Sie fühlte eine Papierecke. Zuerst zog sie behutsam daran, denn sie hatte Angst, sie könne das Papier zerreißen und es bliebe zum Teil in der Uhr stecken. Doch es war eine dicke gefalzte Ecke, wie bei einem Umschlag. Sie zog fester daran und er rutschte heraus.
Ivy starrte auf den alten braunen Umschlag, den sie in den Händen hielt. Dann nahm sie ein Tafelmesser aus der Silberschublade und schlitzte ihn schnell auf.
16
In dem Umschlag fand Ivy drei Blätter. Das oberste war eine handgeschriebene Notiz, die kaum zu entziffern war, Ivy erkannte jedoch die Unterschrift am Ende: Sie stammte von Caroline. Darunter lag ein Brief der Praxis von Dr. Edward Ghent - das war Erics Vater, wurde Ivy schlagartig klar. Die dritte Seite sah
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