Schädelrose
deutlich: zu Timmy, zu Catherine.
Er merkte es. »Du hörst dich an, als ob du mit
einem Kind sprechen würdest, Liebes«, sagte er, und
sie hörte den Unterschied in seinem Ton sofort: klarer,
stärker. Sie verlor ihn.
»Du hast gesagt, du bist in Schwierigkeiten«,
sagte sie hastig. »Was kann ich tun?«
»Nichts. Ich bin nicht in Schwierigkeiten.«
Sie verlor ihn. »Robbie – wie hast du mich
gefunden?«
»Ich habe im Institut angerufen und gesagt, ich
wäre dein Bruder. Sie haben mir erzählt, daß du
zu Catherines Beerdigung abgereist bist. Also hab ich das Heim
angerufen.«
»Aber – sie hätten dir den Namen des Heims
nicht genannt. Selbst wenn du gesagt hast, du bist mein Bruder.
Keiner dort weiß überhaupt, wie das Heim heißt,
außer Patrick Shahid. Und Joe. Hast du mit Joe
geredet?«
»Nein. Ich… nein.« Sie hörte, wie
seine Verwirrung wieder zurückkam, aber sie mußte ihn
dazu bringen, daß er weiterredete; er durfte nicht
auflegen, ehe er ihr nicht gesagt hatte, wo er war. Timmy.
Catherine.
»Woher hast du dann gewußt, wo du mich erreichen
kannst? Robbie?«
»Paß auf dich auf, Caroline. Das mit Catherine tut
mir wirklich leid.«
»Nein, leg nicht auf! Robbie? Robbie!« Es klickte
in der Leitung.
Caroline saß auf der Bettkante und überlegte in
aller Eile. Sie tastete nach dem Lichtschalter und wählte
Joe McLarens Direktanschluß im Institut. Die Uhr im
Terminal leuchtete gelb: 3:13 nachts. Joe meldete sich beim
zweiten Klingeln. »McLaren.«
»Joe – hier ist Caroline. In Albany. Ich brauche
deine Hilfe.«
»Was ist los, Caroline?« In seiner Stimme lag
etwas Vielschichtiges, aber keine Spur von Müdigkeit.
»Ich hab gerade einen Anruf von – jemandem
bekommen, der mir sehr wichtig ist. Er ist in Schwierigkeiten.
Aber wir sind getrennt worden, und ich weiß, daß er
nicht noch mal anrufen wird. Ich muß genau wissen, wo er
ist. Du bist Anwalt, du gehörst zur Sonderkommission der
Präsidentin, da kennst du doch bestimmt Leute, die Zugriff
aufs Telefonnetz haben oder dort reinkommen können. Schnell,
meine ich. Ich muß die Nummer und den genauen Ort haben,
und zwar jetzt gleich.«
Er blieb zu lange stumm. »Das ist nicht legal,
Caroline.«
»Aber du kannst es tun?«
»Es ist Robbie Brekke, stimmt’s?«
»Ist es wichtig, wer es ist? Ich bitte dich als
Freund.«
»Als Freund?« Seine Stimme hob sich.
»Obwohl du weißt, wie ich zum Gesetz stehe, obwohl du
weißt, daß es mich mein berufliches Ansehen kosten
könnte, wenn ich es breche? Als Freund?« Caroline
saß da und zwang sich, zu warten. Sie hätte ihn am
liebsten als Musterknaben, als Pfadfinder, als gottverdammten
Pedanten beschimpft, der nur darauf bedacht war, sich selbst zu
schützen. Aber sie zwang sich, zu warten; Joe selbst war
ihre beste Chance. Sie konnte geradezu spüren, wie er
zweihundert Meilen entfernt um Selbstbeherrschung rang.
»Tut mir leid, daß ich dich angeschrien habe,
Caroline. War ein höllischer Tag heute. Angel, mein
Sekretär… na, egal. Und du bist heute zu
Catherines… Tut mir leid.«
»Schrei mich an, wenn du willst, aber hilf mir. Robbie
war auch mein Kind, genauso wie Catherine.«
Sie hörte, wie er rauh nach Luft schnappte, als ob er
schwer geatmet hätte.
»Es ist so, Joe. Du kannst es nicht
abstreiten.«
»So kannst du das nicht sehen, Caroline«, sagte er
sogar noch sanfter, als sie gehofft hatte. »Das war ein
anderes Leben.«
»Er lebt in diesem Leben. Und er braucht
mich.«
»Tut mir leid, Caroline.«
»Joe – hör zu. Er ist wirklich in
Schwierigkeiten. Da funktioniert irgendwas nicht richtig mit
seinen früheren Leben. Er erinnert sich, Paul Winter gewesen
zu sein« – sie wurde nicht einmal langsamer, um seine
Reaktion abzuwarten – »und es greift sein Gehirn an.
Ich weiß nicht, wie. Aber er braucht mich!«
»Er braucht Shahid, oder Armstrong. Hast
du…«
»Sie könnten nicht rauskriegen, wo er ist, aber du
kannst es!«
»Bedaure. Ich kann dir nicht helfen.«
»Du meinst, du willst nicht!«
»Ich kann nicht.«
»Das ist kein abstrakter Disput über Entscheidungen
und Selbstfindung, Joe, hier geht’s um ein echtes,
lebendiges menschliches Wesen! Meinen Sohn!«
»Tut mir leid.«
Caroline beendete das Gespräch. Sie zwang sich, ins Bad
zu gehen, sich das Gesicht zu waschen und die Zähne zu
putzen. Sie würde ihm zwanzig Minuten geben – und wer
dann? Charles? Er würde es vielleicht über
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