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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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vorsintflutlichen Raumstation wirkte.
    Nicht weniger fachkundig als zuvor Leonid untersuchte Theisen die ungewöhnliche Apparatur.
    »Sieht aus wie eine archaische Funkzentrale«, meinte er mit einem abschätzigen Lächeln.
    »Denkst du, es könnte tatsächlich etwas mit der Katastrophe von Tunguska zu tun haben?«
    »Möglich.« Theisen neigte den Kopf über ein verrostetes Ventil, an dessen Seite eine Plakette mit einer Jahreszahl angebracht war.
Letzte Überprüfung Oktober 1907
entzifferte er den russischen Schriftzug. »Das sieht mir nicht nach dem Besuch einer fernen Galaxie aus. Stellt sich nur die Frage, für was benötigte man diese Apparatur?«
    Ohne auf Theisen zu achten, leuchtete Viktoria mit ihrer Taschenlampe in einen weiteren Gang hinein, aus dem ein seltsames Geräusch zu hören war.
    »Leonid!« Ihre Stimme klang heiser und hallte unheilvoll von den Wänden wider.
     
    Taichin war aufgestanden und hatte sich an einem niedrigen Schränkchen zu schaffen gemacht, hinter dessen Türen sich eine Reihe von Blechdosen befand, alle verschlossen mit einem luftdichten Schraubverschluss, der zuverlässig Feuchtigkeit und Insekten fernhielt.
    Als er wieder zu dem Platz zurückkehrte, an dem Leonid immer noch in seiner meditativen Haltung saß, sein halb volles Teeglas in Händen, blieb er stehen und kippte seinem verdutzten Großneffen einen Esslöffel gelblichen Pulvers in die restliche Flüssigkeit, die er dann umrührte, bis ein milchiger Brei entstand.
    Leonid ließ ihn gewähren, während er fragend zu seinem Lehrmeister aufblickte. Taichin hatte ihn schon mit einigen bewusstseinserweiternden Drogen bekannt gemacht, von denen etliche eine recht angenehme Wirkung entfaltet hatten. Die schönste Erfahrung war ein Flug über die Weiten der Taiga gewesen und der Kontakt zum Geist seiner Mutter, die ihn mit Liebe und Sehnsucht empfing – ein Gefühl |310| unvergleichlicher Wärme, das er nur zu gerne noch länger ausgekostet hätte. Doch es gab auch die andere Seite: Furcht einflößende Dunkelheit, eisige Kälte, die Ahnung von etwas Bösem, dem man sich nur mit äußerster Vorsicht und gewappnet mit dem Schutz der Ahnen nähern durfte, ein Lehrstück in Sachen Verteidigung, wenn man den bösen Geist aus dem Körper eines Kranken verjagen wollte.
    Dieses Pulver hatte Taichin bisher noch nicht an ihm ausprobiert.
    »Trink!«, befahl er mit ruhiger Stimme.
    Leonid sah ihn ungläubig an, doch dann hob er das Glas und setzte es an die Lippen.
    Vera Leonardowna hatte alles mit angesehen und bis zu diesem Zeitpunkt kein Wort verloren. Doch plötzlich sprang sie auf und stürzte auf Leonid zu.
    »Nicht!«, schrie sie. »Tu’s nicht, Junge, es wird dich umbringen!«
    Taichin fing sie ab, wie ein Raubvogel, der einem erschöpften Kaninchen auflauert, dabei betrachtete er seine Schwester mit einem mitleidigen Blick.
    »Misch dich nicht ein, Vera«, raunte er dunkel. »Er muss erfahren, was in ihm steckt, damit er lernt, es für sich und auch für die Sache zu nutzen.«
    Leonid war verwirrt, so hatte er weder seinen Großonkel noch seine Babuschka bisher erlebt. Dass sie ab und an miteinander stritten, war er gewohnt. Dass Taichin gegenüber seiner jüngeren Schwester jedoch handgreiflich wurde, war ihm neu.
    »Trink jetzt!«, wiederholte Taichin streng. »Oder willst du nie erfahren, was das wahre Geheimnis deiner Vorfahren ist und warum dich dein Vater von jeher verachtet hat?«
    Leonid schluckte. Das Geheimnis seiner Vorfahren interessierte ihn, doch nichts wollte er dringender erfahren als die Wahrheit über seinen Vater. Die Erinnerung an ihn schmerzte immer noch. Schon als kleiner Junge hatte er die Abneigung seines Vaters gespürt, und obwohl er sich immer bemüht hatte, dem meist betrunkenen Grobian zu Gefallen zu sein, war es unmöglich gewesen, dessen Liebe zu gewinnen. Möglicherweise hatte es daran gelegen, dass der Schamane, den man ans Bett seiner Mutter gerufen hatte, von Beginn an behauptet hatte, das Neugeborene sei schuld an ihrem Tod und am Tod all |311| seiner Geschwister. Aber vielleicht lag der Grund auch in einem noch düsteren Geheimnis, das niemand begreifen konnte, der nicht darum wusste.
    Leonid kippte den bitteren Trank hinunter und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, um auch noch den letzten Rest zu erwischen.
    Taichin stellte sich hinter ihn und legte seine runzeligen Hände auf Leonids Kopf, dann begann er zu summen – erst leise, dann immer lauter in einem rhythmischen Auf und Ab,

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