Schatten der Liebe
der einen und einen Stoß rosaroter Zettel in der anderen Hand an Merediths Schreibtisch trat. »Hier sind Ihre Anrufe. Bitte vergessen Sie nicht, daß Sie für heute elf Uhr eine Sitzung der Geschäftsleitung einberufen haben.«
Meredith bemühte sich, sich nicht anmerken zu lassen, wie elend und gestreßt sie sich fühlte. »Danke, Phyllis. Würden Sie mich bitte mit Stuart Whitmore verbinden? Und versuchen Sie, Parker in seinem Hotel in Genf zu erreichen.
Wenn er nicht in seiner Suite ist, hinterlassen Sie ihm bitte eine Nachricht.«
»Wen soll ich zuerst anrufen?« fragte Phyllis in ihrer gewohnten effektiven Art.
»Stuart Whitmore«, sagte Meredith. Zuerst würde sie Stuart ihre Entscheidung mitteilen. Dann würde sie mit Parker sprechen und versuchen, ihm alles zu erklären. Erklären? Sie fühlte sich miserabel.
Um sich abzulenken, nahm sie die Zettel mit den Telephonnotizen zur Hand und blätterte sie lustlos durch. Der fünfte riß sie aus ihrer Lethargie auf und brachte ihr Herz wie wild zum Klopfen: Mr. Matthew Farrell hatte um 9:10 Uhr heute morgen angerufen.
Das schrille Geräusch ihrer Sprechanlage ließ Meredith zusammenfahren. Sie sah, daß beide Leitungen blinkten.
»Ich habe Mr. Whitmore auf Leitung eins«, sagte Phyllis, »und Matthew Farrell ist auf Leitung zwei. Er sagt, es sei dringend.«
Merediths Puls raste. »Phyllis«, sagte sie zittrig, »ich möchte nicht mit Matt Farrell sprechen. Bitte richten Sie ihm aus, daß wir von jetzt ab über unsere Anwälte miteinander verkehren. Und bitte sagen Sie ihm auch, daß ich für ein oder zwei Wochen wegfahre. Seien Sie höflich«, fügte sie nervös hinzu, »aber bleiben Sie hart.«
»Ich versteh.«
Meredith legte auf, beobachtete, wie das Licht von Leitung zwei zu Blinken aufhörte, drückte die Sprechanlage und bat Phyllis herein. »Was hat er gesagt?« fragte Meredith sie.
Phyllis verbiß sich ein Lächeln über Merediths offensichtliche Nervosität. »Er hat gesagt, daß er es verstehe.«
»Sonst nichts?«
»Dann hat er mich gefragt, ob Ihre Reise kurzfristig anberaumt worden sei, und ich habe bejaht. War das richtig?«
»Ich weiß nicht«, sagte Meredith hilflos. »Hat er daraufhin noch irgendwas gesagt?«
»Eigentlich nicht.«
»Was soll das denn bitte heißen?«
»Er hat gelacht, aber nicht laut. Es war ein leises, kehliges Lachen. Dann hat er sich bedankt und verabschiedet.«
Aus irgendeinem Grund fühlte Meredith sich durch Matts Reaktion stark verunsicherte.
»Ist sonst noch etwas?« fragte sie, als Phyllis unter der Tür stehen blieb.
Phyllis nickte und blickte auf das Telephon. »Haben Sie vergessen, daß Stuart Whitmore auf Leitung eins ist?«
Entsetzt griff Meredith nach dem Hörer und bat Phyllis, die Tür zu schließen. »Stuart, es tut mir leid, daß ich dich habe warten lassen«, begann sie und strich ich nervös das Haar aus der Stirn. »Der heutige Tag ist nicht gerade erfreulich.«
Stuarts Antwort war heiter. »Dafür habe ich dank dir einen phantastischen Tag.«
»Was meinst du damit?«
»Ich meine, daß Farrells Anwälte plötzlich eine Aussprache wollen. David Levinson hat mich um halb zehn angerufen und so zuckersüß und wohlwollend geklungen, daß man glauben könnte, der arrogante Bastard hätte am Wochenende eine tiefreligiöse Wandlung erfahren.«
»Was genau hat er gesagt?« fragte Meredith. Ihre Unruhe wuchs.
»Nun, zuerst hielt Levinson mir einen Vortrag über die heilige Unantastbarkeit der Ehe, vor allem zwischen Katholiken, und zwar in höchst frommen Tönen. Meredith«, klärte Stuart sie mit unterdrücktem Lachen auf, »Levinson ist ein orthodoxer Jude; er war viermal verheiratet und ist zur Zeit mit seiner sechsten Geliebten liiert! Jesus, ich konnte das einfach nicht fassen.«
»Was hast du dann gesagt?«
»Ich habe ihm gesagt, daß ich das einfach nicht fassen könne«, antwortete Stuart, gab es dann aber auf, sie von der Komik der ganzen Angelegenheit überzeugen zu wollen, weil er spürte, daß sie dafür heute keinen Sinn hatte. »Okay, ist ja auch egal. Jedenfalls ist Levinsons Klient angeblich plötzlich willens, einer Scheidung zuzustimmen, was mir irgendwie komisch vorkommt und mich ausgesprochen beunruhigt.«
»Es ist nicht so ungewöhnlich, wie du glaubst«, sagte Meredith leise und verdrängte den schmerzlichen und völlig irrationalen Gedanken, daß Matt sie offenbar nun, nachdem sie mit ihm geschlafen hatte, mit direkt beleidigender Schnelligkeit loswerden wollte.
Weitere Kostenlose Bücher