Schatten der Lust
Dyannes. Allerdings konnte sie erkennen, dass er einen Kampf in seinem Innern ausfocht, von dem er ihr nichts verraten würde.
»Du brauchst meinen Bruder«, erklärte er der Undine. »Tain ist der Heiler.«
»Ich weiß nichts von einem Tain«, erwiderte Dyanne. »Aber wir haben dich.«
Hunter fingerte an dem Lederriemen, der sein Schwert hielt. Leda konnte sich nicht vorstellen, dass es ein Problem gab, mit
dem Hunter nicht fertig wurde, und dennoch schien er unsicher.
»Ich kann meinen Bruder für euch suchen, damit er deine Leute heilt.«
Dyanne betrachtete ihn eine Weile schweigend, wobei sie ihn ansah, als könnte sie erkennen, was in seinem Innern vorging. »Du wirst ihn finden. Und wenn es so weit ist, wirst du gezwungen sein, dich für einen Weg zu entscheiden. Welchen du auch wählst, er wird schmerzlich für dich, aber du musst dich entscheiden.«
»Was soll das heißen?«, fragte er.
»Verharre nicht hier, Unsterblicher! Die Welt braucht dich. Wir brauchen dich.« Jetzt richteten sich ihre seltsamen Augen wieder auf Leda. »Auch du musst einen Weg wählen.«
»Ich kann meine Tiere nicht verlassen«, entgegnete Leda sofort.
»Sie sind in guten Händen.« Dyannes Stimme wurde schwächer, bis sie zu einem leichten Windsäuseln im Regen schrumpfte. Ohne ein Wort zum Abschied wandte sie sich ab und schwebte davon.
»Warte!«, rief Leda. »Was für eine Wahl?«
Die Undine antwortete nicht. Sie verschwand unter den Bäumen, wo ihr Körper mit dem Sprühnebel des Wasserfalls eins wurde. Eben war sie noch hier gewesen, jetzt blieb nichts als ein Schimmer von Sonnenlicht auf dem Wasser zurück. Mukasa hob den Kopf und stieß ein leises Knurren aus.
»Du sagst es«, murmelte Hunter. »Wassergeister lieben rätselhafte Andeutungen. Es macht ihnen Spaß, dass alle anderen wie die Doofen dastehen.«
»Aber sie hat nicht ganz unrecht«, sagte Leda. »Nichts geschieht ohne Grund.«
Hunter sah sie an. »Du hörst dich schon genauso an wie sie.«
»Ich bin auch ihrer Meinung, was dich betrifft. Du bist hergeschickt worden. Denk doch einmal nach! Du hättest überall landen können, aber du erscheinst ausgerechnet in Mukasas Gehege, kurz bevor Valdez’ Leute herkommen, um ihn zu entführen. Allein hätte ich sie nie aufhalten können.«
Er nickte zögernd.
»Und du bist wahrscheinlich das einzige Wesen, das mich von der Todesmagie befreien konnte. Nicht zu vergessen, dass der Hexenzirkel, der mich seit zwei Jahren schneidet, mir Samantha herschickt, damit sie mich um Hilfe bittet. Samantha hat mich gefragt, weil sie weiß, dass ich sie verstehe. Und jetzt, wo meine Magie nicht mehr beschmutzt ist,
kann
ich ihr sogar helfen. Und dann ist es doch auch kein Zufall, dass du Mukasa aus seinem Gehege lässt, der uns geradewegs hierhinauf zu der Undine bringt, die dich braucht.« Sie musste Luft holen. »Kapierst du? Das Universum folgt einem Muster. Es tut nichts grundlos.«
»Meinst du?«, fragte er nachdenklich.
»Ich weiß es! Das Universum, vielleicht die Göttin, will, dass wir aufs Festland gehen und den Menschen helfen. Es braucht uns!«
Hunter sah zu der Stelle, an der Dyanne verschwunden war, und wieder zurück zu Leda. Dann strich er ihr mit dem Finger über die Wange. »Ich habe nichts dagegen, Tain zu fragen – vorausgesetzt, ich finde ihn. Ich würde sogar Adrian suchen, um herauszufinden, was vor sich geht. Aber du, Leda, gehst nirgendwohin. Du verlässt die Insel nicht, ehe die Welt da draußen wieder sicher ist!«
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Kapitel 7
U nd wer entscheidet, wann die Welt sicher ist?«, fragte Leda wütend. »Du?«
Sie stand Hunter allein am Strand gegenüber. Sie drei waren mit Samantha und Mukasa herabgestiegen, wobei Leda ihrer Freundin erzählte, was Dyanne ihnen gesagt hatte, denn Hunter schwieg sich aus.
Unten kam Taro ihnen entgegen, der an Leda schnüffelte, als könnte er alles erschnuppern, was geschehen war. Womöglich konnte er das sogar. Bären hatten einen sehr guten Geruchssinn und waren ziemlich schlau. Taro und Mukasa hatten sich freiwillig in ihre Gehege zurückgezogen, denn es war bereits später Nachmittag – Futterzeit. Hunter half Leda bei der Arbeit, während Samantha lieber auf Abstand blieb.
Hinter dem Haus befand sich eine riesige Kühlkammer voller sorgfältig portionierter Fleischstücke sowie Nahrungszusätze, die auf jedes Tier abgestimmt waren. Morgens legte Leda das Fleisch in den jeweiligen Behältern zum Auftauen heraus, und jeden Nachmittag schüttete
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