Schatten der Vergangenheit (German Edition)
Kinder, die ohnehin nur sozial zurückbleiben. Die fanden sich im Leben nie zurecht. Und dieses Wunderkind fand seinen Weg nicht bis Coup de Foudre, so wie es aussah. Sie hätte schon längst hier sein sollen.
Henry sah wieder aus dem Fenster und riss die Augen weiter auf. Verdammt, sein Sohn brachte eine seiner Freundinnen mit, obwohl er ihm das schon das letzte Mal untersagte hatte, nachdem Philippe eine Orgie in seinen Räumen gefeiert hatte. Wutentbrannt verließ er das Zimmer, wählte eine Nebentreppe, damit er nicht Harting in die Arme lief, und erreichte Philippe und Lily gerade, als diese die große Halle betraten.
Henry d´Arthois seufzte laut, sehr laut und beide blieben stehen. Er sah zuerst nur das strohblonde Haupt des weiblichen Wesens neben seinem Sohn, aber er wusste auch so, dass das Mädchen hübsch war, wie alle Freundinnen seines Sohnes. Sie ging nur etwas hölzern, so als hätte sie Schmerzen. Ob sein Sohn jetzt auch auf perverse Sexspiele stand? Es würde Henry nicht erstaunen. Oder das arme Ding war vom Pferd gefallen. Es wäre eine Katastrophe, wenn die blonde Schönheit die Leidenschaft zu den Pferden nicht mit seinem Sohn teilen würde, wo doch Philippe nur zwei Dinge im Kopf hatte, Weiber und Pferde. In welcher Reihenfolge, war Henry manchmal nicht ganz klar.
Lily sah den Mann mit dem zornigen Gesichtsausdruck und der stattlichen Figur. So lautete immer die höfliche Umschreibung der Medien für schon etwas zu dick um die Gürtellinie geratene Männer. Er war nicht zu übersehen und sie erkannte Henry d´Arthois sofort. Sein Gesicht war immer wieder in den Zeitungen und sie hatte in den letzten Jahren Philippe und seine Familie akribisch in den Medien verfolgt.
Er sah Henry dem Achten, mit dem er äußerlich immer verglichen wurde, tatsächlich ein wenig ähnlich, wenn es um die stattliche Größe und sein Gewicht ging. Sie grinste und sah Philippe an.
„Der macht ein Gesicht wie 100 Tage Regen“, flüsterte sie und lehnte sich schutzsuchend an Philippe.
Es war unhöflich, vor der anwesenden Person über diese zu flüstern, aber was kümmerte das Lily? Philippe fragte sich, ob seine Frau nichts im Leben gelernt hatte?
„Der macht immer so ein Gesicht. Er ist übrigens mein Vater“, flüsterte Philippe zurück und fragte sich, wo Lily zur Schule gegangen ist. Sie konnte doch nicht – noch dazu in der Muttersprache seines Vaters - über diesen herziehen!
„Das weiß ich, Philippe.“ Natürlich wusste sie das. Sie sollte doch ihren Schwiegervater kennen, dachte Philippe und unterdrückte eine sarkastische Aussage. Er wollte die Situation nicht noch angespannter machen, als sie ohnehin schon war.
„Hallo Sohn, willst du mir nicht deine Begleitung vorstellen?“ Die Stimme des Vaters, tiefer als seine eigene, gab ihm immer einen Herzschlag mehr. Lily grinste keck. Eine sexy Stimme hatte der Alte, dachte sie. Seine Augen, ein dunkles Blau, waren auch nicht übel. Er war sicher einmal in jungen Jahren ein sehr attraktiver Mann gewesen. Wie sonst hätte er so einen schönen Sohn haben können?
Henry war von Lily nicht so angetan. Das dünne Ding, war aus der Nähe – jetzt wo er sie tatsächlich genauer sah, denn Henry weigerte sich, Brillen zu tragen – eine Puppe mit großen dunkelblauen Augen und einer makellosen Haut, die ein sehr spöttisches Lächeln auf den Lippen hatte. Persönlich war sie ihm zu dünn und Benehmen hatte sie wahrlich auch nicht, sonst hätte sie nicht in seiner Anwesenheit mit Philippe geflüstert. Aber hatte er tatsächlich etwas anderes erwartet?
„Oh gerne, Vater. Das ist Liliane Marlene, meine Frau.“ Oh, er genoss es, seinen Vater einige Sekunden sprachlos zu sehen.
„Deine was?!“ stammelte Henry. Er lehnte sich an eine Säule und schloss kurz die Augen. Ihm war etwas schwarz vor den Augen geworden. Alles, nur das hatte er nicht erwartet, dass sein vierundzwanzigjähriger Sohn mit einer Ehefrau auftauchen würde!
Da stand sein Sohn in den handgenähten Schuhen, der Designerjeans, die so teuer wie ein ganzer Anzug war, dem merkwürdigen lila Hemd – Henry hatte immer gedacht, lila tragen nur homosexuelle Männer – und grinste zufrieden. Am liebsten hätte er ihm eine Ohrfeige verpasst, aber wozu? Schläge hatten bei Philippe nie etwas bewirkt und Henry war auch kein Freund von Gewalt, eher von Vernunft. Die hatte ihn bei seinen zwei verbliebenen Kindern allerdings auch nicht
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