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Schatten Des Dschungels

Schatten Des Dschungels

Titel: Schatten Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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integrierte Kamera anscheinend, was ich tue … oder eher nicht tue. »Jetzt mach schon«, nervt der Troll. »Aus Feigheit zu verhungern ist eine ziemlich miese Todesart!«
    Das verdient keine Antwort. Ich starre auf die weißen Eier, schließe dann die Augen und schiebe mir die Portion in den Mund. Beinahe muss ich würgen, ich kann es gerade noch verhindern. Popcorn, denke ich verzweifelt. Popcorn! Die Ameiseneier rutschen in meinen Magen und bleiben zum Glück drin.
    Eigentlich schmecken sie ganz okay. Allerdings nicht nach Popcorn. Ich gebe mir keine Zeit, länger darüber nachzudenken, sondern gehe sofort weiter. Währenddessen lasse ich mir von Sam auflisten, was für Essensmöglichkeiten es noch gibt. Die meisten sind nur sehr begrenzt appetitanregend, besonders für eine Vegetarierin: Regenwürmer. Maden, die in den verrottenden Stämmen von Palmen leben. Schlangen. Leider habe ich bisher noch keine einzige Schlange gesehen. Es wäre ja fast schön, wenn es hier ein paar mehr von denen gäbe.
    »Was ist mit essbaren Pflanzen?«
    »Gibt es natürlich auch«, brummt der Troll. »Aber meinen Informationen nach kommst du aus München. Und die Wahrscheinlichkeit, dass ein europäisches City-Girl wie du diese Pflanzen erkennt, beträgt 0,2 Prozent.«
    Ich bin eingeschnappt. »He, Moment mal – City-Girl?! Ich war immerhin in der Waldschule!«
    »Waldschule hier, Waldschule da.« Der Troll gibt ein überzeugendes Kotzgeräusch von sich. »City heißt Stadt und München ist eine Stadt, jedenfalls hat es mehr als zwei Millionen Einwohner.«
    Auf diese Diskussion lasse ich mich besser nicht ein. »Hast du auch irgendwas Konstruktives beizutragen? Wir waren gerade bei essbaren Pflanzen, falls du dich erinnerst.«
    Sam nickt und schaut jetzt wieder etwas diensteifriger drein. »Wenn du meine Kamera auf Blätter und Rinde richtest, kann ich einen Datenbankabgleich machen.«
    »Cool«, sage ich, bis mir einfällt, dass die Blätter der meisten Bäume dreißig Meter hoch über mir hängen. Also fange ich erst einmal mit den niedrigeren Gewächsen und den Lianen an, die höheren Bäume versuche ich mithilfe des abgefallenen Laubes zu bestimmen. Richtig gut funktioniert es nicht, in der Datenbank finden sich nur zu etwa der Hälfte der Pflanzen Treffer.
    Es ist nichts Essbares dabei, aber ein unscheinbares Kletterpflänzchen stellt sich als Heilkraut gegen Fieber heraus. Ich nehme gleich eine Handvoll Blätter mit. Auch einen Kautschukbaum finde ich, aber Gummi brauche ich gerade nicht sonderlich dringend.
    Am Nachmittag finde ich einen jungen toten Affen, der anscheinend aus großer Höhe abgestürzt ist. Er scheint noch nicht lange tot zu sein, aber schon ist die Insektengemeinde des Dschungels dabei, ihn zu verwerten. Jede Menge Ameisen sind mit dem Körper beschäftigt. Mit gemischten Gefühlen sehe ich dabei zu und richte Sams Kamera darauf, damit er auch mal schauen kann. »Willst du probieren?«, schlägt er vor. »Ist bestimmt gut durch.«
    »Ach, mit einem leckeren Sößchen aus Ameisensäure geht es sicher«, meine ich und gehe schnell weiter, bevor es mir den Magen umdreht. Wenn ich am Verhungern bin, muss ich auch so etwas essen. Aber noch ist es nicht so weit.
    Gegen Abend höre ich den Hubschrauber wieder, aber er ist diesmal weiter entfernt. Sieht fast so aus, als hätten sie meine Spur verloren …
    Doch genau aus diesem Grund geht es mir an diesem Abend schlechter denn je zuvor seit meiner Flucht. Ich liege in meiner Hängematte aus Lianen, sehe Falks Gesicht vor mir und merke, dass meine Augen überfließen. Es wäre unglaublich praktisch, wenn man Liebe einfach abstellen könnte. Aber nicht mal all das Schlimme, das geschehen ist, hat meine Gefühle für ihn erstickt. Wie soll ich es ertragen, dass ich Falk vielleicht nie wiedersehe? Und was ist mit ihm, vermisst er mich, denkt er jetzt an mich?
    Was würde ich darum geben, seine Stimme zu hören, nur noch ein einziges Mal mit ihm zusammen zu lachen. Wie armselig ist es, dass ich jetzt mit einer Maschine herumfrotzele, mit einem Avatar, den irgendein Programmierer mit Humor ausgestattet hat.
    Den ganzen nächsten Tag über lasse ich Sams Sprachfunktion abgeschaltet.
    Auch ein paar Tage später komme ich noch gut voran, doch ich merke, dass ich schwächer werde. Inzwischen habe ich den größten Teil meines Körperfetts verbraucht, und wenn ich meinen Körper nach Zecken absuche – ich finde jedes Mal einige, die ich, so gut es geht, abzupfe –, sehe ich

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