Schatten ueber Broughton House
sie mit einem weitaus herzlicheren Lächeln als ihre beiden anderen Besucherinnen und reichte Megan zur Begrüßung die Hand. „Miss Henderson. Wie schön, Sie kennenzulernen.“
„Ganz meinerseits“, erwiderte Megan und schüttelte der Duchess die Hand. Sie wusste nicht, wie sie die Duchess ansprechen sollte, denn eine so ehrerbietige Anrede wie „Euer Gnaden“ wollte ihr einfach nicht über die Lippen.
Die Duchess wandte sich zu den Kemptons und meinte: „Wie bedauerlich, Lady Kempton, aber wie Sie sehen, habe ich bereits einen Termin. Hätte ich gewusst, dass Sie heute vorbeikämen, hätte ich es selbstverständlich anders eingerichtet.“
Lady Kempton verzog kaum merklich das Gesicht, und Megan meinte zu merken, wie beleidigt die Dame war, dass die Duchess ein Vorstellungsgespräch mit einer angehenden Bediensteten der gepflegten Unterhaltung mit Lady Kempton und ihrer Tochter vorzog. Es kam einer Zurückweisung gleich, doch blieb ihr kaum etwas anderes übrig, als sich damit abzufinden.
„Aber natürlich“, brachte sie schmallippig hervor. „Vielleicht ein andermal. Komm, Sarah.“
Die beiden Frauen gingen davon, und die Duchess wandte sich wieder Megan zu. „Kommen Sie. Ich finde, dass wir an diesem sonnigen Nachmittag unser Gespräch im Garten führen sollten, meinen Sie nicht auch?“
„Ja, das ist eine gute Idee.“
„Wir werden unseren Tee im Garten trinken“, ließ die Duchess den Diener wissen und bedeutete Megan, ihr zu folgen. „Es tut mir leid wegen Ihres Hutes“, meinte sie schmunzelnd. „Ich werde ihn selbstverständlich ersetzen.“
„Danke. Das ist sehr aufmerksam von Ihnen.“
Die Duchess lächelte sie an. „Es ist das Mindeste, das ich tun kann. Sie sind ganz hervorragend mit den Zwillingen umgegangen. Und leider muss ich gestehen, dass nur die wenigsten Menschen sich darauf verstehen.“
Auch Megan musste lächeln. Wider Erwarten fing sie an, die Duchess zu mögen. „Ich habe selbst zwei jüngere Brüder, von denen ich einiges über Jungen gelernt habe - und über Hunde.“ „Ach ja, Rufus. Die Jungen haben ihn schwer verletzt im Wald gefunden. Es ist ein Wunder, dass er überlebt hat, und wahrscheinlich verwöhnen wir ihn deshalb alle etwas zu sehr. Er reagiert zwar, wenn man mit einer gewissen Autorität zu ihm spricht, aber die meisten der Dienstboten trauen sich einfach nicht, ihn zu bändigen.“
Die Duchess bedachte Megan mit einem kurzen Blick, und ihre Augen blitzten vergnügt. „Ich fürchte, dass es den meisten Leuten mit Constantine und Alexander genauso ergeht.“
„Sie scheinen sehr lebhafte Jungen zu sein“, räumte Megan ein. „Aber ich habe nicht den Eindruck, als würden sie sich absichtlich schlecht benehmen.“
Sie waren am Ende der Halle angelangt, und die Duchess trat mit Megan auf die Terrasse hinaus. Hinter dem Haus lag ein großer Garten, und jenseits der sorgsam gehegten Kieswege und Laubengänge erstreckte sich baumbewachsener Rasen - eine grüne Oase der Stille inmitten der Stadt. Die Duchess führte Megan die breite Treppe hinunter und einen Pfad entlang zu einer idyllischen Laube. Unter einem Kuppeldach, über das sich Rosen rankten, standen ein kleiner schmiedeeiserner Tisch und dazu passende Stühle.
„Ich trinke meinen Tee oft hier draußen“, bemerkte die Duchess. „Es ist einer meiner liebsten Orte. Ich finde es hier herrlich still und wohltuend.“
„Es ist wunderschön“, fand auch Megan.
„Ich hoffe, Sie werden mir beim Tee Gesellschaft leisten“, fuhr die Duchess fort.
„Ja, gerne“, erwiderte Megan, etwas verwirrt angesichts der Höflichkeit, die Bediensteten gegenüber eher unüblich war - angehenden Bediensteten gegenüber, rief sie sich in Erinnerung. Sie fühlte sich ein wenig schuldig, weil die Duchess so freundlich zu ihr war, und daher sagte sie: „Es tut mir leid, dass Ihre Freunde umsonst gekommen sind. Ich hätte auch warten können.“
Die Duchess lachte leise. „Oh, seien Sie unbesorgt. Ich war froh, eine Ausrede zu haben, um mich Lady Kemptons zu entledigen. Sie ist keine meiner Freundinnen, und sie kommt - wie so viele der ehrgeizigen Mamas - nicht, um mich zu besuchen, sondern um sich die Mutter des zukünftigen Dukes gewogen zu machen. Als ob Theo sich jemals für die unbedarfte Sarah Kempton interessieren würde!
„Oh. Ich verstehe.“ Megan spürte, wie ihr das Herz bei der Erwähnung Theo Morelands heftiger schlug, und sie überlegte, wie sie das Gespräch noch ein wenig um das
Weitere Kostenlose Bücher