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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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sie zögernd. »So was in der Art jedenfalls.«
    Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wie Paula zu grinsen begann.
    »Jetzt verstehe ich!«, sagte sie nun auch prompt. »Alles klar. Da würde ich auch nicht mit meiner Mutter zu Hause sitzen wollen. Wie heißt er? Kenne ich ihn? Wo trefft ihr euch? Ich will alle Details, verstanden?«
    Jetzt musste Zoë doch lächeln. »Wir sind um zehn verabredet. Aber es ist nicht so, wie du denkst.«
    Paula schwieg viele, sehr deutliche Worte lang. »Na ja, wenn du es sags t …«, sagte sie dann bedeutungsvoll. »Du kriegst dein Alibi – mal sehen, wie wir es mit meinen Eltern hinkriegen. Und wenn es nicht so ist, wie ich denke, dann kann ich ja mitkommen und mir deinen Neuen ansehen.«
     
    Zoë war sicher – zumindest bis Maurice heute Nacht wieder auf Tour ging. Ich fragte mich, ob ich ihr aufgefallen war. Und wenn ja, was sie wohl in mir gesehen hatte. Sicher keinen Killer. Das Laufen fiel mir immer noch schwer, aber ich war zu ruhelos, um auf fremdem Terrain zu lange herumzutrödeln. Als es wieder zu regnen begann, wich ich auf neutrales Gebiet aus – in die U-Bahn. Haltestelle Kunstmuseum. Eine der belebteren Stationen. Nicht wegen des Museums, sondern weil die Kinos und das McDonald’s direkt daneben waren.
    Ich ließ mich auf eine Metallbank an den Gleisen nieder und streckte mein Bein aus. Obwohl ich immer noch Gizmos weite Jeans trug, musste ich aufpassen, dass ich die Kratzer nicht wieder aufriss. Wunden heilen bei uns zwar schneller als bei anderen – vielleicht heißt es deshalb, dass Katzen neun Leben haben. (Haben sie nicht, sie halten nur mehr aus.) Dennoch schmerzten die Kratzer noch.
    Eine Frau mit streng nach hinten gekämmtem dunklem Haar und einer blau getönten Brille starrte mich an und drückte ihre Aktentasche an sich. Vermutlich dachte sie darüber nach, ob ich es auf ihre Brieftasche abgesehen hatte.
    An der gegenüberliegenden Wand, hinter den Gleisen, befand sich das, was ich hier gesucht hatte: Auf einem Infoscreen lief Werbung, die ab und zu von den neuesten Nachrichten unterbrochen wurde. Zumindest konnte ich mich hier darauf verlassen, dass auch die blutrünstigsten Meldungen garantiert übertragen wurden.
    Eine Gruppe gelangweilter Dreizehnjähriger schlenderte auf dem Bahnsteig in Richtung Rolltreppe. Zwei der Jungs rauchten, obwohl es hier unten verboten war. Im Vorbeigehen bliesen sie den Rauch betont in meine Richtung, grinsten über mein Outfit und starrten halb neugierig, halb neidisch auf meine Blessuren. Einer machte schon den Mund auf, um etwas zu sagen, doch als ich ihn scharf ansah, überlegte er es sich noch mal und hielt die Klappe. Schlaues Kerlchen. Sie versperrten mir noch ein, zwei Sekunden die Sicht auf den Schirm, dann waren sie endlich weg und ich konnte in Ruhe warten.
    Handywerbung mit halb nacktem Model.
    Tourismuswerbung mit halb nacktem, braun gebranntem Model.
    Eine Anzeige des Kunstmuseums mit gemaltem Impressionismus-Aktmodell.
    Und dann – endlich – ein paar Nachrichten. Als der Reporter auftauchte, der heute Morgen vor dem Übertragungswagen gestanden hatte, beugte ich mich vor und kniff die Augen zusammen. Das Kreischen einer bremsenden Bahn am Bahnsteig, das mir trotz der Ohrstöpsel fast die Schädelplatte durchsägte, übertönte die Stimme des Reporters. Wie ein besorgter Goldfisch, der im Regen schwimmt, klappte er stumm den Mund auf und zu. Ein Stück der Tartanbahn wurde eingeblendet, ein Leichenwagen, Polizisten, die sich über eine Plane beugten. Dann erschien ein Foto. Eine Frau, die selbstbewusst in die Kamera lächelte. Der Schnitt ihrer Bluse und die Frisur ließen vermuten, dass das Foto schon älter war – vielleicht aus den Achtzigern. Die Farben des Bildes waren grünlich ausgebleicht und am Rand war ein Stanzloch – als wäre das Foto an einen Ausweis getackert gewesen. Ich starrte das lächelnde Gesicht an. Die Frau war hübsch. Stark geschminkt, schmales Gesicht, rotes, gepflegtes Haar, zu einer dramatischen Lockenfrisur hochgesteckt.
    Das Bremsgeräusch verebbte, langsam wurde die Stimme des Sprechers wieder deutlicher.
    »… haben heute in den Morgenstunden die grausam zugerichtete Leiche entdeckt. Inzwischen konnte die Tote identifiziert werden.«
    Immer noch starrte ich das Foto an. Irgendetwas ließ mich stutzig werden. Die klaren Augen und die etwas zu breiten Lippen. Vor allem aber das rote Haar. Als ich endlich begriff, sprang ich von der Bank hoch. Barb! Es war tatsächlich

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