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Schattenblicke - Thriller

Schattenblicke - Thriller

Titel: Schattenblicke - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen-Susan Fessel
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hat mir davon erzählt, daran kann ich mich gut erinnern, obwohl ich damals erst sechs war. Tata war zur Zeit der Bombardierungen in Deutschland, kurz vorher hatte er Mama kennengelernt. Aber er war trotzdem geschockt. Total geschockt. Viele seiner Freunde und Verwandten sind damals heimatlos geworden, einige auch gestorben.
    Unserer Verwandten, korrigiere ich mich innerlich.
    Aleks betrachtet immer noch seine Hände. Irgendwie muss ich ihn aus der Reserve locken. »Hat mein Vater hier auch früher gespielt, Handball«, werfe ich den Köder aus.
    Aleks blickt hoch. Neugier blitzt in seinen Augen auf. »Hier?«
    »Hier in Serbien. Mein Vater kommt aus Serbien.«
    Er nickt. Als wenn er das weiß. Dass mein Vater aus Serbien kommt.
    Aber woher kann er das eigentlich wissen?
    Das Foto. Das Foto von mir und meinem Vater …
    »Kennst du meinen Vater?«
    Aleks’ Augen verengen sich, als er den Kopf schüttelt.
    Ich lecke mir über die Lippen. Es ist so heiß. Ich würde zu gern was trinken. Aber ich habe das Gefühl, dass es keinen Sinn macht, Aleks darum zu bitten.
    Er wirkt so angespannt. Und jetzt wirft er dem Typen mit der Narbe eine Frage zu. Der guckt auf die Uhr und ruft etwas zurück.
    »Noch ein paar Minuten«, sagt Aleks. »Dann müssen wir zurück.«
    »Warum?«
    Er zögert. »Weil dann Goldzahn zurückkommt.«
    Goldzahn! Ein Schauder läuft mir den Rücken hinunter.
    Goldzahn weiß also nicht, dass wir hier draußen sind.
    Wer steckt eigentlich mit wem unter einer Decke?
    Hinten auf der Liege gähnt der Typ mit der Narbe unverhohlen, dann drückt er seine Kippe aus und schließt die Augen.
    »Ist er dein Bruder?«, frage ich und nicke zu ihm hinüber.
    »Filip? Quatsch! Mein Ku…«
    »Dein Cousin?«
    Aleks sieht mich einfach nur an.
    »Dein Kumpel ist es ja wohl nicht«, versuche ich einen Scherz.
    Aleks lächelt schwach.
    Ich lächele auch.
    Der Typ mit der Narbe  – Filip, so heißt er also  –macht ein Auge auf und sieht zu uns rüber, dann macht er es wieder zu.
    Die Sonne sticht wie mit kleinen Nägeln in meinen Unterschenkel. Ich ziehe die Beine an und reibe mir die Arme. Aus der Ferne kommt Hundegebell.
    Und Motorengeräusch.
    Eine Bewegung im Schatten der Büsche, die über die Mauer ragen: Die schwarze Katze läuft auf dem Sims entlang auf uns zu, springt herunter, auf den Tisch, kommt zu mir hinüber und reibt ihren Kopf an meinen nackten Knien. Unwillkürlich muss ich noch breiter lächeln. Vorsichtig kraule ich sie hinter den Ohren und jetzt beginnt sie laut zu schnurren. Aleks sieht mir zu. »Sie kann dich gut leiden, was?«
    Ich nicke. »Glaub schon.« Gemeinsam sehen wir zu, wie die Katze sich neben mir auf dem Stuhl zusammenrollt. Ich streichele sie weiter. »Woher kannst du so gut Deutsch?«, frage ich schließlich.
    »Ich … ich gehe auf eine deutsche Schule. Und ich war mal in Deutschland.« Aleks lehnt sich zurück.
    »Wo?«
    »Hamburg. Da haben wir gewohnt.«
    »Ach, echt? In Hamburg? Wie lange?«
    »Bis ich elf war. Dann sind wir zurück.«
    »Nach Serbien«, stelle ich fest.
    Er will schon den Kopf schütteln, aber dann, nach einem Blick auf meine Miene, lächelt er nur. Er weiß,dass ich weiß, wo ich bin. Es hat keinen Sinn mehr, es zu leugnen.
    »Warum seid ihr denn zurück?«, frage ich.
    Er zögert einen Moment, dann zuckt er mit den Schultern. »Meine Mutter ist gestorben, und mein Vater und ich sind dann zurück.« Er sieht mich an. Seine Augen sind wirklich sehr, sehr schön. Die schönsten Augen bei einem Jungen, die ich je gesehen habe.
    Aber so darf ich nicht denken!
    »Tut mir leid, das mit deiner Mutter«, sage ich.
    Aleks zuckt mit den Schultern. »Mir auch«, sagt er knapp.
    »Woran ist sie denn gestorben?« Ich weiß, dass ich jetzt neugierig rüberkomme, aber ich bin es ja auch. Ich möchte zu gern mehr wissen über diesen Jungen, der mir da gegenübersitzt.
    »Krebs«, sagt Aleks schnell. »Beschissene Krankheit.«
    »Und was für ein Krebs?«
    Aleks seufzt leicht entnervt, aber ich sehe ein ganz schwaches Lächeln um seine Mundwinkel herum. »Mann, du willst es aber genau wissen!«
    »Ja.«
    »Brustkrebs«, sagt er knapp. »Sonst noch was?«
    »Ja. Ist denn Goldzahn dein Vater?«, frage ich. Aleks sieht empört aus.
    »Blödsinn! Natürlich nicht!«
    »Wer ist er denn dann? Auch dein Cousin?«
    Aleks antwortet nicht. Er sieht wieder auf seine Hände.
    Komisch, wenn ich mit ihm spreche, vergesse ich fast, dass ich gefangen bin.
    Dass ich entführt bin.
    Dass ich

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