Schattenblume
«Bringen wir es hinter uns.»
«Wonach suchen wir?», fragte sie, als sie ihm ins Wohnzimmer folgte.
«Ich weiß es nicht.» Er zog die Schubladen des Couchtischs auf, wühlte kurz darin herum und schloss sie wieder. «Wo hatte er seine Ersatzwaffe?»
«Hat er nicht gesagt, im Wohnzimmer?» Sara erinnerte sich nicht mehr genau.
«Irgendwo muss der Waffensafe sein», sagte er. «Wenn er die Wahrheit gesagt hat.»
Sara wusste nicht, was man Robert überhaupt noch glauben konnte, doch sie öffnete den Fernsehschrank. Bisauf ein großes Fernsehgerät und ein paar Videokassetten fand sie nichts. Sie bückte sich zu den Schubladen und sagte: «Sie haben keine Kinder. Vielleicht hatte er die Waffe einfach in der Schublade.»
«Dafür ist Robert zu erfahren», entgegnete Jeffrey und ließ sich auf alle viere nieder, um unter der Couch nachzusehen. «Hoss hat uns beiden eingetrichtert, Waffen immer sicher zu verwahren.» Er hockte sich auf die Fersen und sah traurig zu Boden. «Robert hat die Little League trainiert», sagte er. «Wahrscheinlich waren öfter Kinder hier. Er hätte nie eine Waffe rumliegen lassen.»
«Und Jessie», überlegte Sara. «Nell hat mir erzählt, dass sie nach der Fehlgeburt zu viele Pillen geschluckt hat.»
«Noch ein Grund, die Waffe wegzuschließen», stellte Jeffrey fest.
Sara fand einen Stapel Gebrauchsanweisungen von jedem Elektrogerät im Haus. Daneben lagen ein paar ausgediente Fernbedienungen, alte Batterien und eine Nagelfeile. Alles, nur kein Waffensafe. «Wo bewahrst du eigentlich deine Ersatzpistole auf?»
«Neben dem Bett», antwortete er. «Zu Hause lasse ich die Dienstwaffe in der Küche.»
«Warum gerade dort?»
«Ich habe nie drüber nachgedacht», sagte er und tastete die Unterseite des Couchtischs ab. «Irgendwie war es einleuchtend. Eine oben, eine unten.»
«Wo in der Küche?», fragte Sara und ging den Flur hinunter.
«Im Schrank über dem Herd», rief er ihr nach, und dann: «Verdammt.»
«Was ist?»
«Splitter im Finger.»
«Sei vorsichtiger», rief sie vom Flur aus. Die Küche lag genau gegenüber vom Schlafzimmer, doch sie warf keinen Blick dort hinein. Der Geruch nach getrocknetem Blut war unerträglich, und Sara wusste aus Erfahrung, dass der Gestank auch nach einem radikalen Hausputz nicht wegging. Sie glaubte nicht, dass Jessie nach allem, was passiert war, weiter hier leben würde.
Sara öffnete den Schrank über dem Herd und fand einen Stapel Tupperware-Schüsseln, die Deckel ordentlich daneben aufgeschichtet. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte in das Fach, doch da war nichts, was auch nur entfernt wie eine Waffe aussah. Sie ging die ganze Küche durch, öffnete und schloss jede Schranktür, mit dem gleichen Ergebnis. Sogar im Kühlschrank sah sie nach, wo sich eine volle Milchtüte, Saft und die üblichen Grundnahrungsmittel befanden, doch keine Waffe.
«Irgendwas gefunden?», fragte Jeffrey. Er stand in der Küchentür und hielt sich die Hand.
«Tut es weh?», fragte Sara.
«Nicht schlimm», sagte er und streckte ihr die Hand hin. Sie knipste das Licht an und sah sich den großen Holzsplitter in seiner Handfläche an.
«Irgendwo müssen sie eine Pinzette haben», sagte sie und zog die Schubladen auf, doch die flüchtige Suche ergab nur ganz normale Küchengeräte. «Ich sehe mal im Bad nach.»
Auf dem Weg zum Bad fiel ihr Blick auf einen Nähkorb auf der Anrichte im Esszimmer.
«Komm rüber, hier ist das Licht besser», rief sie Jeffrey zu und durchsuchte den Korb. «Damit wird es gehen.» Zwischen Stecknadeln und Nähnadeln hatte sie eine Pinzette gefunden.
«Soll ich mehr Licht reinlassen?», fragte Jeffrey und drehte an der Jalousienstange. Er sah hinaus in den Garten. «Schön hier, nicht wahr?»
«Ja», sagte sie und griff nach seiner Hand. Bei der Arbeit trug sie eine Brille, aber sie war natürlich zu eitel gewesen, die Brille mit auf die Reise zu nehmen. «Es tut vielleicht ein bisschen weh.»
«Ich werde es aushalten», sagte er, dann: «Au! Verdammt.» Er zuckte mit der Hand zurück.
«Tut mir Leid.» Sara versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken. Sie hielt seine Hand ins Licht. «Denk an was anderes.»
«Kinderleicht», sagte er ironisch und kniff die Augen zusammen, als sie mit der Pinzette näher kam.
«Ich berühre dich noch nicht mal», sagte sie.
«Bist du zu den Kindern auch so gemein?»
«Die sind meistens tapferer.»
«Vielen Dank.»
«Komm schon», neckte sie. «Wenn du brav bist, bekommst du
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