Schattenbraut - Black, L: Schattenbraut - Takeover (1)
über die glänzende Lackierung. Diese langweilige Arbeit frustrierte sie, doch das Äußere eines Autos war ideal für Fingerabdrücke, und diese mussten unbedingt sichergestellt werden, bevor noch mehr Leute, sie inbegriffen, dauernd ein- und ausstiegen. Der Wachmann und die junge Streifenpolizistin waren schon zu nahe am Auto gewesen. Theresa zwang sich, ruhig zu arbeiten und jeden Millimeter der Oberfläche einzustäuben.
»Sie müssen den Motor angelassen haben, als sie in die Bank gegangen sind«, sprach sie laut vor sich hin und versuchte, sich ein Bild von den Ereignissen des Morgens zu machen. Doch es gelang ihr nicht. Was würde Rachael tun, wenn Paul starb? Wie würde sie reagieren? Sie schien Paul nicht gerade zu lieben, bisher jedenfalls noch nicht, doch er war auf dem besten Wege, ihr ein zweiter Vater zu werden. »Der Sicherheitsmann hatte sicher keinen Schlüssel, der Motor muss also gelaufen sein, als er herausrannte und das Auto wegfuhr. Das erscheint mir alles sehr seltsam, doch offensichtlich ist das das offizielle Vorgehen: die bösen Buben festsetzen und ihnen den Fluchtweg abschneiden.«
»Wäre es nicht sicherer, ihnen das Geld zu geben und sie damit abhauen zu lassen?«, fragte Don, während er ein Stück Absperrband hob, um eine Karte darunter durchzuschieben, damit der sanfte Wind diese nicht wegwehte. »Und sie später festzunehmen, wenn nicht Horden von Zivilisten im Weg rumstehen?«
»Das ist eine US -Notenbank.« Theresa verteilte das Pulver großzügig über der Oberfläche, den Arm gerade durchgestreckt, damit die feinen schwarzen Partikel nicht auf sie wehten. »Da darf niemand einfach etwas mitnehmen.«
»Eine Notenbank funktioniert anders?«
Klar umrissene Fingerabdrücke wurden deutlich. Hoffentlich gehörten sie auch zu den Bankräubern. Theresa konzentrierte sich verbissen auf ihre Arbeit, um nicht in Panik auszubrechen. »Eine Notenbank ist wie eine Bank für Banken. Der Staat verleiht das Geld, beaufsichtigt alle Transaktionen, die per Scheck getätigt werden, und kontrolliert das sich im Umlauf befindliche Bargeld.« Don zog überrascht die Augenbrauen hoch, und Theresa fügte erklärend hinzu: »Ich war als elterliche Aufsichtsperson bei Rachaels Exkursion in der sechsten Klasse dabei.«
»Aber grundsätzlich ist es eine Bank, oder?«
»Ich denke schon. Doch die Erfolgsaussichten wären in der Fifth Street gegenüber besser gewesen.«
Die junge Streifenpolizistin kehrte zurück; sie machte einen durchtrainierten Eindruck, doch ihr Gesicht war von der Hitze gerötet, und sie brachte eine Flasche Wasser mit. Bei Theresa und Don angekommen, äußerte sie ihren Eindruck der Geschehnisse: »Vielleicht wollten sie das auch, haben aber das falsche Gebäude erwischt. Sie sind wohl nicht die Hellsten.«
Genug der Spekulationen, dachte Theresa ungeduldig. »Auf wen ist das Auto also zugelassen?«
»Robert Moyers. Wohnhaft in Brookpark, keine Vorstrafen, geht nicht ans Telefon.«
»Und hat das Auto auch nicht als gestohlen gemeldet?«
»Korrekt.«
Theresa nahm einen Handflächenabdruck mit einem breiten, durchsichtigen Klebeband auf. »Wie alt ist er? Könnte er einer der Täter sein?«
Die junge Frau zuckte wieder mit den Schultern. »Moyers ist siebenundzwanzig. Aber sie tragen Kappen und Sonnenbrillen, ist also schwer zu sagen.«
»Mit dem eigenen Auto eine Bank zu überfallen ist so dumm, dass das schon eine eigene Strafe wert ist«, bemerkte Don kopfschüttelnd. »Aber nun, ihre Intelligenz wäre damit festgestellt. Oder besser der Mangel daran.«
Die Polizistin wischte sich über das Gesicht. »Auf jeden Fall ist es zu heiß für die Jahreszeit. Es ist erst Juni, verdammt noch mal, nicht August, und ich muss heute Abend am See etwas erledigen. Ein gefundenes Fressen für die Moskitos.«
Theresa streifte die schwarz verschmierten Latex-Handschuhe ab und ersetzte sie durch ein frisches Paar, um sich das Wageninnere vorzunehmen. Sie warf einen Blick zu dem Bankgebäude hinüber, wie sie es bisher alle fünf Sekunden seit ihrem Eintreffen getan hatte. Für einen Moment war der Frust sogar noch übermächtiger als die Angst – so nah und doch …
Paul könnte heute sterben. Er könnte schon tot sein; die Wände des Gebäudes waren dick genug, um einem Atomangriff standzuhalten, und ganz sicher mächtig genug, um einen Gewehrschuss abzudämpfen.
Genug , rief sie sich selbst zur Ordnung. Konzentrier dich auf das, was du tun kannst. Los, reiß dich zusammen .
Die
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