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Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Titel: Schattengesicht (quer criminal) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Wagner
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weiterzuverarbeiten. Mexican Burger mit Tacosauce, Oriental Burger mit Kreuzkümmel und Zimt und Burger der Woche . Es hieß, mit Carsten den Saal auszufegen und die Klos zu putzen. Es stand mir bis zum Hals. Lieber wollte ich irgendwo an einem Fließband Etiketten auf Gurkengläser kleben.
    Ich hatte die Anzeigen überflogen: Callcenter, Callcenter, Pizzafahrer, Begleitservice, Prospektverteiler, wieder Callcenter …
    Wenn man auf der Suche nach etwas Bestimmtem ist, geraten einem die Dinge am Wegrand oft aus dem Blick. Pollys Finger aber flog auf die Anzeige zu, die nicht dahingehörte. Weil es kein wirklicher „Job“ war. Es war eher so etwas wie … ein Geschenk.
    Dringend zuverlässige Person für Haushütung und Gartenpflege in Schweden gesucht. Juli/August. Kost und Unterkunft frei.
    Wenn ich gewusst hätte, was passieren würde, wenn ich auch nur die leiseste Ahnung gehabt hätte, dass wir dabei waren, in ein Unglück hineinzuschlittern, hätte ich Pollys Fingerzeig ignoriert und hätte die nächsten Wochen, ohne zu murren, die Klos vom Anker geschrubbt, stundenlang, mit Klorix und nackten Händen, bis mir die Finger geblutet hätten.
    - - -
    „So weit kommt’s noch!“, sagte Ina beim Mittagessen. „Du allein in Schweden!“ Wir saßen draußen im Biergarten am Stammtisch, damit Ina im Blick hatte, ob ein Gast kam.
    „Da ist doch nichts dabei“, sagte ich. Dass ich gar nicht allein fahren wollte, verriet ich natürlich nicht.
    „Na ja“, sagte Carsten zu Ina, „irgendwie versteh ich sie. Es hat was, einfach so ins Blaue hinauszufahren. Weißt du nicht mehr, diese Motorradtour, wo wir uns kennengelernt haben? Drei Wochen Amerika! Wir haben nie gewusst, wo wir am Abend pennen.“
    „Damals war das anders“, sagte Ina. „Außerdem waren wir zu acht.“
    „Also, das Einzige, was ich seltsam finde, ist, dass der sein Haus für lau überlässt“, sagte Carsten. „Da stinkt doch was …“
    „Es ist ja nicht umsonst“, sagte ich. „Ich passe schließlich auf das Haus auf, damit keiner einbricht und so. Ich gieße den Garten. Außerdem …“, und jetzt spielte ich meinen Trumpf aus, „… außerdem wollt ihr doch immer, dass ich selbstständig werde.“
    Ina zögerte kurz. Dann sagte sie: „Mitten im Sommergeschäft geht das aber nicht. Da bleibt die ganze Arbeit an mir hängen. Jetzt ist Ferienzeit, du weißt, was das heißt!“
    „Stell doch Jenny ein. Die sucht nach ’nem Ferienjob.“
    „Ich weiß nicht …“
    - - -
    Vorräte seien genug im Haus, hatte Tove Jansson geschrieben, und im Garten solle ich ernten, was da wüchse. Der Schlüssel sei in der Kiepe vor der Hintertür, unter dem Holz.
    Das alles klang nach etwas Urwüchsigem, nach etwas, was nicht angemalt, mit Leuchtmitteln und kleinen Flaggen versehen war; es klang nach etwas, was ich vermisste, von dem ich aber nicht gemerkt hatte, wann genau es verloren gegangen war.
    Der Brief war lang, aber er wirkte irgendwie gehetzt, wie in letzter Minute geschrieben. Er hatte auch eine Karte mitgeschickt, und auf einem Extrazettel fand ich die Wegbeschreibung, die Telefonnummer und die Adresse des Hauses. Der Name des Ortes, Nästeviken, war unterstrichen und in sauberer Druckschrift geschrieben, als wollte er hundertprozentig sichergehen, dass ich ihn auch fände.
    In der Nacht vor unserer Abreise ging Polly nicht zurück in den Wald, sondern blieb bei mir. Unten dröhnte Diskomusik. Ich hörte, wie unzählige Leute aus den Nachbardörfern mit Motorrädern, Mopeds und Fahrrädern angefahren kamen, wie Autotüren zuflogen, wie sie sich lauthals begrüßten. Garantiert waren auch welche aus meiner Abiklasse dabei.
    Ina stand jetzt am Einlass, kassierte Eintritt und kontrollierte die Taschen, während Carsten alle Hände voll damit zu tun hatte, literweise Bier auszuschenken. Ich hätte eigentlich auch dort unten sein müssen. Am Einlass zu stehen, war meine Aufgabe, während Ina sonst die Gläser einsammelte und abwusch. Aber das machte Jenny heute. Ich musste am nächsten Morgen sehr zeitig aufstehen.
    Während also die drei da unten wirbelten, lagen Polly und ich in meinem Zimmer auf dem Boden, die Karte vor uns ausgebreitet, und studierten den Weg zum Dorf. Hin und wieder stand ich auf und stopfte noch etwas in meinen schon prall gepackten Rucksack.
    - - -
    Der Wind war frisch wie Pfefferminze, der Himmel hell und vibrierend. Die Fähre hieß Stena Line und hatte sogar ein Casino an Bord. Jetzt schien sie das Meer aufzureißen. Jeder

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