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Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Titel: Schattenkrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luke Scull
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leer. Er hatte nichts anderes erwartet. Nur ein Narr würde einem Straßenjungen eine unverschlüsselte Botschaft anvertrauen. Die Rote Wache benutzte bekanntermaßen Jungen wie ihn als Spitzel, um Dokumente abzufangen, die zwischen den Unzufriedenen ausgetauscht wurden, und die Aufwiegler aufzuspüren.
    Er fuhr mit den Fingern über das Pergament. Der Zauber war sehr schwach und für jemanden, der in der Kunst der Magie nicht bewandert war, völlig unsichtbar. Seit der Säuberung, seit die Magier in Dorminia so willkommen waren wie die Pest, gab es in der Stadt noch genau zwei Einwohner, die fähig waren, die Botschaft zu entschlüsseln: ihn selbst und einen gewissen mörderischen Magierfürsten.
    Eremul murmelte eine Beschwörung und weckte die schlummernde Energie, die in ihm summte. Jeder Magier war von Geburt an fähig, ein gewisses Maß an magischer Energie zu handhaben. Salazar und die anderen Magierfürsten besaßen einen wahren Ozean der Macht, aus dem sie schöpfen konnten. Eremul musste sich mit einer Pfütze begnügen. Rohmagie – die Essenz der Götter – konnte abgeschöpft werden, um die Kräfte eines Magiers zu erneuern oder zu verstärken und wurde bei der Anwendung verbraucht. Ohne solche äußere Hilfe war der Magier auf die Menge an Magie angewiesen, mit der er zur Welt gekommen war. Mit zunehmendem Alter vergrößerte sich diese Menge zwar, aber in gleichem Maße verlängerten sich auch die notwendigen Erholungsphasen.
    Natürlich kontrollierten Salazar und die anderen Magierfürsten die Verteilung der Rohmagie mit größter Strenge. Sie hatten ohnehin schon Kräfte besessen, die sterbliche Magier wie Zwerge erscheinen ließen, und nun vergrößerten sie die Überlegenheit noch, indem sie sich den ausschließlichen Zugang zu den Leichen der Götter vorbehielten.
    Die Magie verschwand aus der Welt, und sobald der letzte göttliche Leichnam leer gesaugt war, blieb nichts mehr übrig, es sei denn, man machte noch weitere Entdeckungen von der Art der Himmelsinseln. Die Ermordung der Götter hatte in der Welt etwas Grundlegendes zerbrochen. Das Land laugte langsam aus und erneuerte sich nicht mehr, wie es vor dem Götterkrieg geschehen war.
    Eremul beendete die Anrufung und wartete. Langsam aber sicher schälten sich krakelige, mit glühender weißer Energie geschriebene Worte heraus und schwebten einen Fingerbreit über dem Pergament. Die Botschaft war sehr schlicht: Triff uns von heute an gerechnet in zwei Nächten am alten Leuchtturm nördlich des Hafens. Sei genau um Mitternacht dort. Komme nicht zu spät.
    Das war alles. Eremul zischelte frustriert. Der fragliche Leuchtturm lag eine ganze Meile entfernt im Norden auf einer großen Klippe, die den Hafen überblickte. Der Weg verlief überwiegend bergauf. Hoffentlich war Isaac bis dahin wieder zu Hause.
    Die Botschaft wies in jeder Hinsicht auf die rätselhafte Person hin, deren Aufmerksamkeit er schon seit vielen Monaten zu erregen suchte.
    Die Weiße Lady.
    Wenn es im Trigon einen Menschen gab, der den Tyrannen von Dorminia stürzen konnte, dann war es die undurchschaubare Magierfürstin von Thelassa.

Nicht mein Bruder

    Er hörte Schritte. Eine Fackel flackerte und schien fast so hell zu brennen wie das Sonnenlicht. Sofort kniff er die Augen zusammen und blinzelte, um die Tränen und die Kruste zu vertreiben, die sich nach unzähligen Tagen in der undurchdringlichen Dunkelheit gebildet hatte. Eine grobe Stimme ertönte.
    »Das Schwert des Nordens. Ha. Das ist aber ein verdammt vornehmer Titel für einen Mann, der so erbärmlich drauf ist wie dieser alte Graubart.«
    Die Schritte wurden langsamer. Wahrscheinlich waren sie zu dritt, aber er war nicht ganz sicher. Dann ließ sich eine andere Stimme vernehmen.
    »Seit einem Jahr ist er nicht mehr aus dem Käfig herausgekommen. Kein Wunder, dass er so verrückt ist wie ein Vielfraß.«
    Schweigen. Einer der Männer hustete. Er öffnete ein Auge einen Spalt weit. Wie viel Zeit war seit seiner letzten Mahlzeit vergangen?
    Der erste Sprecher ergriff wieder das Wort. »Der Wichser ist wach. Hör zu, Kayne. Der Schamane will, dass du zum Großen Langhaus gebracht wirst. Rate mal, wen die Brüder am Teufelsgrat versteckt in einer Höhle gefunden haben.«
    Er bekam schreckliche Angst. Wie hatten sie sie entdeckt? Er wollte schreien, stemmte sich vom besudelten Boden seines Gefängnisses hoch, richtete sich auf, verlangte den ausgezehrten Muskeln die letzten Kräfte ab. Die nässenden Schürfwunden, die

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