Schattenkrieger: Roman (German Edition)
eine Bö durch die offene Tür gefahren war. Fluchend schüttelte er heftig den Kopf und strich sich mit beiden Händen über die Kleidung. Er hasste Spinnen.
Schon wieder ein neuer Schmuck für mein prächtiges Äußeres. Schweiß, Dreck, Kot, tote Spinnen und halb gefressene Insekten. Wenigstens habe ich mich nicht eingenässt. Noch nicht.
»Tritt ein«, ertönte drinnen eine Frauenstimme. Eremul zupfte sich ein Spinnenbein von einer Augenbraue und rollte in das Gebäude. Drinnen herrschte ein feuchtes, schmutziges Durcheinander. Mitten in der kreisrunden Kammer standen drei dicke Kerzen auf einem Tisch, weitere Lichtquellen gab es nicht. Auf der anderen Seite führte eine Treppe nach oben, und in der Zugluft, die von dort herabwehte, standen die Frauen im flackernden Schein am Tisch.
Es waren drei, sie waren schlank und bleich und trugen schlichte weiße Gewänder, die bis zu den Füßen reichten. Erwartungsvoll blickten sie ihn an. Ihre Augen sind seltsam, dachte er. Und da war noch etwas anderes …
Eremul sah erschrocken genauer hin. Die Frauen warfen keine Schatten.
Die Größte verneigte sich leicht. »Wir danken dir, dass du hergekommen bist«, sagte sie mit leiser, beherrschter Stimme, die keinerlei Gefühl verriet. »Du kannst mich die Erste Stimme nennen. Ich spreche im Namen der Weißen Lady. Dies hier sind die Zweite und die Dritte Stimme.« Sie deutete auf die Begleiterinnen links und rechts neben ihr.
Eremul zog eine Augenbraue hoch. So läuft das also. »Ihr könnt mich Halbmagier nennen«, erwiderte er. »Ich würde mich gern verneigen und eure Hände küssen, aber ihr wärt es bald müde, mich jedes Mal vom Boden aufzuheben. Wie auch immer, ich halte sowieso nicht viel von Förmlichkeiten.«
Die Erste Stimme nickte und überging seinen schwachen Versuch, einen Scherz zu machen. »Wir kennen dich, Eremul Kaldrian. Du bist viel mehr, als du zu sein scheinst.«
Er zuckte mit den Achseln. »Zu meinem Leidwesen muss ich gestehen, dass ich keine sehr beeindruckende Erscheinung bin.«
»Wir haben einen deiner Spione in Thelassa entdeckt«, fuhr die Zweite Stimme fort. »Er war sehr gesprächig.«
Eremul nickte. Damit hatte er schon gerechnet. »Ist er wohlauf?«, fragte er, obwohl er die Antwort fürchtete.
»Ja. Als sich herausstellte, dass wir recht ähnliche Interessen verfolgen, hatten wir keinen Grund, die … schöpferischen Arten des Zwangs einzusetzen.«
»Was hat er euch verraten?«
Die Erste Stimme antwortete ihm. »Er hat uns viel über dich erzählt. Einst warst du ein bevorzugter Schüler des Tyrannen von Dorminia. Als Salazar die Säuberung anordnete und alle Träger der Gabe töten ließ, beschloss er, dich zu verschonen. Warum diese Milde?«
Der Halbmagier runzelte die Stirn. Diese Frage hatte er sich im Laufe der Jahre auch selbst schon oft gestellt. »Ich bilde mir gern ein, ich wäre wegen meiner Gewitztheit und meines Charmes unverzichtbar«, begann er, »aber ich fürchte, die Wahrheit ist viel einfacher.« Er beugte sich auf seinem Stuhl vor. »Meine Magie war zu schwach, um eine Bedrohung darzustellen. Selbst ein rücksichtsloser Mordgeselle wie Salazar konnte erkennen, dass es sich eines Tages als nützlich erweisen mochte, einen zweiten Magier zur Hand zu haben. Ich wurde verstümmelt und aus dem Obelisken geworfen, nachdem man mir einige letzte Anweisungen gegeben hatte.«
»Wie lauteten sie?«
»Ich sollte unserem Herrn und Meister als Spion und Spitzel dienen. Wer könnte sich besser als Aufständischer tarnen denn einer, der auf so offenkundige Weise unter dem Herrscher gelitten hat? Ich habe viele ruchlose und dumme Anschläge auf Salazar verhindert.«
Die Zweite Stimme kam einen Schritt auf ihn zu. Nun erkannte er, was mit den Augen der Frauen nicht stimmte. Sie waren völlig farblos, wenn man von den schwarzen Pupillen im Zentrum absah. »Du dienst dem Tyrannen von Dorminia? Sage uns, warum wir dich nicht auf der Stelle töten sollen.«
Eremul seufzte. »Vertrauen muss man sich verdienen, ehe man es brechen kann. Glaubt mir, ich hasse Salazar mehr als jeden anderen in der Stadt. Aber ich kann nur dann wirklich gegen ihn arbeiten und vor allem überleben, wenn ich vorgebe, sein treuer Diener zu sein. Um diese Illusion aufrechtzuerhalten, muss ich den Magistraten manchmal nützliche Dinge zutragen.«
»Damit verursachst du den Tod der Unglücklichen, um die es jeweils geht«, sagte die Zweite Stimme völlig emotionslos.
Eremul packte den Rand seines
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