Schattenlord 1 - Gestrandet in der Anderswelt
lenkte ihr Schritt sie zum Flugkapitän, der mit offenen Augen auf seiner Liege lag. Er bemerkte ihre Annäherung und drehte leicht den Kopf. Sein einstmals rundes Gesicht war grau und eingefallen, und Fieber glänzte in seinen graublauen Augen.
Laura lächelte ihm aufmunternd zu und ließ sich neben seiner Liege nieder. »Sind Sie versorgt worden?«
»Ich habe ein wenig Wasser zu mir genommen«, antwortete Fisher. »Essen kann ich nichts. Und ich glaube, das Wasser ist auch gleich wieder aus allen Löchern ausgetreten. So muss sich Schweizer Käse fühlen …«
»Haben Sie große Schmerzen?«
»Es geht. Man gewöhnt sich daran.« Seine Hand bewegte sich langsam zum Rand der Liege, und Laura ergriff sie. Sie war kalt und trocken.
»Es tut mir so leid«, murmelte sie.
»Das sagen Sie zu mir.« Er lachte kurz und musste sofort husten, was er mühsam unterdrückte. »Wer trägt denn die Schuld?«
»Sie nicht«, sagte sie sofort. »Ich habe es gesehen. Es war kein Flugfehler oder eine defekte Maschine. Sondern dieses … was auch immer, vielleicht ein Ableger eines Wirbelsturms oder so.«
»Es ist nett, dass Sie mich trösten …«
»In erster Linie tröste ich mich selbst.«
Fisher drückte kurz Lauras Hand und sah sie voller Zuneigung an. »Waren Sie das erste Mal auf den Bahamas?«
»Ja.« Sie zögerte kurz, dann sprudelte es aus ihr hervor. »Bin sozusagen von daheim weggelaufen, um Abstand zu dem Mist zu gewinnen, den ich da zurückgelassen habe.«
»So schlimm?«
»Mein Freund hat mich auf ziemlich fiese Weise verlassen, auf der Uni geht ebenfalls alles schief …«
»Aber Sie haben doch bestimmt Eltern und Geschwister, so jung, wie Sie sind.«
Laura lachte bitter auf. »Ich bin ein Einzelkind. Und meine Eltern reden nicht mehr mit mir, weil ich ein sinnloses Studium ohne Aussicht, jemals damit einen ordentlichen Beruf ergreifen zu können, begonnen habe, anstatt die Nachfolge in ihrer Firma anzutreten - der Wille meines Vaters - und einen bleichgesichtigen, pickligen Kerl von der Konkurrenz zu heiraten - die Vorstellung meiner Mutter. Ich muss für mich allein sorgen, BAföG bekomme ich nicht, weil meine Eltern verpflichtet wären, mich zu unterstützen. Ich halte mich mit hundert bescheuerten Jobs über Wasser, in denen ich zumeist, von ein paar Ausnahmen abgesehen, wie ein Stück Vieh oder Dreck behandelt werde.«
»Klingt, als hätten Sie den Urlaub dringend nötig gehabt«, sagte Elias mitfühlend. »Wenngleich Sie einen intelligenten und humorvollen Eindruck auf mich machen. Sie gehen schon Ihren Weg, und ich finde es sehr gut, dass Sie wissen, was Sie wollen. Und was soll’s mit Ihrem dummen Freund! Sie sind so hübsch, Sie finden sofort einen neuen. Ach was, zehn.«
»Das hätte mein Vater mal zu mir sagen sollen, anstatt ich bin schwer enttäuscht von dir«, murmelte Laura. »Und außerdem passiert mir immer was. Ich kaufe einen neuen Computer, und er raucht schon nach dem Einschalten ab. Ein neues Handy muss meistens dreimal umgetauscht werden, bis es funktioniert. Setze ich mich im Restaurant an einen Tisch, fallen sofort in meiner Nähe alle Gläser um, ob gefüllt oder nicht.«
Fisher kämpfte erneut mit dem Lachen. »Ich bitte Sie, Laura …«
»Ernsthaft!«, beteuerte sie. »Meine Freunde nennen mich Donalda, die Pechvogelin.«
»Das klingt wirklich gut.« Der Flugkapitän kicherte verhalten und musste mit einem weiteren Hustenanfall dafür büßen. Doch es schien ihm nichts auszumachen. »Bitte reden Sie weiter! Ich fühle mich schon viel besser.«
Laura freute sich, denn der Pilot sah tatsächlich nicht mehr so wachsbleich aus. »Erzählen Sie mir lieber was von sich, Sir.«
»Bitte tun Sie mir den Gefallen und sagen Sie Elias zu mir. Ich fühle mich sonst so schrecklich alt, und angesichts dessen, wo wir uns befinden, sollten wir auf dumme gesellschaftliche Normen verzichten.«
Laura nickte lächelnd.
»Tja, ich? Was soll ich sagen. Ich habe Familie. Weil ich aber kaum zu Hause bin und langsam in die Jahre komme, habe ich beantragt, ab dem nächsten Monat zum Bodenpersonal versetzt zu werden. Es wird Zeit, denn meine Älteste erwartet ihr erstes Kind, und da will ich wenigstens für meinen Enkel da sein. Meine Jüngste ist übrigens so alt wie Sie …«
Laura hörte zu, traurig darüber, wie sehr ihr eigener Vater sich von diesem Mann unterschied, der mit Stolz und leuchtenden Augen von seiner Familie berichtete - und der sich so auf die Versetzung gefreut hatte, aber sie
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