Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
untereinander aus, und sie überlegten, wie sie Gystia und Najid in ihre vagen Ideen einspannen konnten. Doch sie kamen auf keinen grünen Zweig. Immer deutlicher wurde ihnen die Unmöglichkeit ihrer Aufgabe bewusst. Sie wollten versuchen, dem Herrscher dieser Stadt eines seiner Opfer zu entringen. Ohne zu wissen was hier vor sich ging. Ohne die Rolle des Obersten Mäzens zu begreifen. Ohne das Verhältnis der Dame Gystia zu ihrem Bruder auch nur ansatzweise zu erahnen.
»Sie ist sich all des Unrechts bewusst, das sie über Jahre oder Jahrzehnte begangen hat«, erzählte Finn auf Nachfrage. »Dennoch fällt es ihr schwer, mir zu Gefallen zu sein. Ich beeinflusse sie, und sie ist sich dessen bewusst. Sie befindet sich deshalb in einem Dilemma. Kann sie mir vertrauen? Kann sie sich sicher sein, dass meine Vorstellung von Moral die richtige ist?«
Zoe mischte sich in die Diskussion ein. »Du musst mehr Zeit mit ihr verbringen. Gib ihr, was sie haben möchte, um sie zu überzeugen. Mit anderen Worten: Besorg's ihr so richtig!«
»Danke für den guten Rat.« Finn grinste säuerlich. »Ich tue ohnedies mein Bestes. Aber sie ist eine Frau, die äußerst schwer zu ... zu befriedigen ist.«
Laura behagte diese Diskussion ganz und gar nicht. »Wir sollten uns bei einer Befreiungsaktion auf keinen Fall auf Gystias Gunst allein verlassen. Womöglich schwenkt sie im entscheidenden Moment um und lässt uns ins offene Messer laufen. Es reicht, wenn sie einigen von uns Zugang zum Palast verschafft - so rasch wie möglich.«
Sie winkte Najid zu sich. Der Sohn Belorions hatte sich bislang nicht an den Diskussionen beteiligt. Er wirkte ideen- und ratlos. Er war einzig vom Gedanken getrieben, sich an seinem Vater zu rächen, ohne zu wissen, wie er es anfangen sollte.
»Erzähl uns mehr über dieses Zeremoniell«, verlangte Laura. »Du sagst, dass dieser Darnaus das Ende seiner Herrscherzeit erreicht hat und von seinem Sohn beerbt werden soll.«
»So ist es. Darnaus hat die Stadt in eine Richtung gelenkt, die nicht jedermann gefällt. Magier sorgen dafür, dass die Stimmung der Städter aufgenommen und tagtäglich neu beurteilt wird. Einmal im Jahr erfolgt eine Beurteilung seiner Leistungen; und diesmal sind die Bewohner unzufriedener mit ihrem Leben als jemals zuvor. Vielleicht habt ihr bemerkt, welch schlechte Stimmung in den Straßen herrscht? Wie gering der Trubel ist, wie wenig sich die Städter amüsieren?«
»Ich hätte eher das Gegenteil vermutet ...«
»Ihr hättet in den Hoch-Zeiten von Darnaus' Herrschaft hier sein müssen! Tagtäglich Orgien und Ausschweifungen, ein pulsierendes Leben, stets neue Sensationen - es war, als hätte der Oberste Mäzen den Schlüssel zu ewiger Freude gefunden.« Najid seufzte. »Doch er hat einen falschen Weg eingeschlagen. Er forciert bloß die Mitglieder seines eigenen Volkes und schließt alle anderen aus. Elefthi, Menschenähnliche, Xanthigrippen, Elfen, Angehörige der Götterstämme und des Zwergenadels, das Feenvolk oder die Agnophylen des Westens - sie sind allesamt von vielen Vergnügungen ausgeschlossen. Und ihr Status verliert immer mehr an Wert. Was dazu führt, dass kaum noch Zuzug zur Stadt stattfindet.«
Najid holte tief Luft und trank einen Schluck Wasser. »Die Stadt ist selbst versorgend. Wie ihr sicherlich bemerkt habt, sind wir nicht auf Händler von außerhalb angewiesen. Nein, fragt mich nicht, wie das System angesichts der bescheidenen natürlichen Ressourcen der Umgebung funktioniert. Das ist ein Geheimnis, das von einem Obersten Mäzen zum nächsten weitergegeben wird ...«
»Und du sagst, dass Darnaus während der nächsten Tage seinen Rang verlieren wird?«
»So ist es. Man setzt große Hoffnung auf Donautus seinen jüngsten Sohn. Er wurde von der Bet- und Bettschwester Sikhiom erzogen, sehr zum Ärger Gystias.«
»Und welche Rolle spielt Gystia in dieser Auseinandersetzung?«, fragte Finn neugierig.
»Sie ist einer von vielen Faktoren, die an den Ränkespielen um den Thron beteiligt sind. Comrik, der Zauberer, ist ein anderer, den man nicht außer Acht lassen sollte. Dazu kommen jene Magier, die die neun Türme bewohnen und bewachen und damit für die Sicherheit der Stadt bürgen. Ein Teil des Hofstaats, das nach einem neuen Günstling Ausschau hält, um Donautus Konkurrenz machen zu können. Diverse Assassinen, einflussreiche Händler ...«
Najids Tonfall veränderte sich. »Ich habe mich niemals in derlei Dinge eingemischt. Ich hatte gehofft, eines
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