Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
der Wind hatte abgeflaut, und ringsum bewegte sich nichts. Ausgenommen die Menschen und die Elfen, die wie sie eben das Bewusstsein wiedererlangten.
Es konnte nur wenig Zeit vergangen sein. Die Sonne stand bloß ein kleines Stückchen tiefer.
Laura sah sich um. Wo waren die Thaíne geblieben? Nur das eine verstorbene Wesen lag wie ein nasser Sack am Boden. Die Ranken waren verdörrt und ausgebleicht, der Körper kaum mehr als solcher erkennbar. Alle anderen waren verschwunden, hatten sich wohl wieder in den Sand und ins Gestein gegraben, um auf neue Opfer zu lauern.
»Das hat er mir nicht gesagt!«, heulte Najid. »Dieser stinkende Ohrenausfluss einer Schrecke! Er wollte wohl, dass ich in der Amethyst-Wüste verrecke? Dass ich auf ihn und sein Wissen angewiesen bin? So, wie er's immer gemacht hat! Ich hasse ihn, ich hasse ihn so sehr!«
Der junge Sklavenhändler hieb mit den flachen Händen auf die Erde, immer wieder. Sand stob hoch und tauchte ihn in eine dichte Wolke, und für einen Moment ähnelte er einem aus dem Untergrund hochtauchenden Thaíne.
Die Menschen versammelten sich in Respektsabstand um Najid. Still, vom eben erst Erlebten überfordert und von Eindrücken überschwemmt, die sie den Wutausbruch ruhig und kommentarlos erleben ließen.
»Von wem redest du?«, fragte Laura so ruhig wie möglich.
»Von meinem Vater! Von wem denn sonst, Weib?!« Er sah sie hasserfüllt an, schlug aber rasch wieder die Augen nieder und verfiel jenem Zauber, der ihn an sie band. »Belorion!«
»Belorion ist dein Vater?«, entfuhr es Laura verdutzt.
»Wer denn sonst? Nicht nur, dass er mich während des Angriffs der Mordags schmählich im Stich ließ; darüber hinaus hat er mir Wissen verweigert. Wissen, ohne dessen Hilfe ich hier heraußen nicht überleben kann. Er hätte mir vom Wächter-Bann erzählen müssen ...
»Wächter-Bann?«
»Er meint einen Schutzzauber«, sagte Cwym an seiner statt. »Die Stadt ist abgesichert. Mithilfe des Thaíne-Gürtels wollen die Bewohner verhindern, dass sich ihne jemand unerlaubt nähert.« Cwym winkte mit einer Hand, Bathú tat es ihm gleich. An mehreren Stellen entlang der gedachten Linie zeigten sich Spuren von Leben, Knospen nicht unähnlich. »Wir können sie womöglich bannen«, fuhr er mit unsicherer Stimme fort. »Aber es bleibt ein Restrisiko. Innistìr hat seine eigenen Gesetze, seine eigene Magie Die Dinge geschehen nicht so, wie wir es gern hätten.«
Ruairidh lachte schallend. »Ich bin der Gefangene von Gefangenen!«, rief er. »Wie amüsant!«
»Die Linie der Thaíne ist hier unterbrochen«, sagte Laura, ohne auf den Heiterkeitsausbruch des Gefangenen zu achten. »Wir steigen über das verendete Exemplar drüber - und hoffen darauf, dass die Reichweite seiner Nachbarn nicht groß genug ist.«
»Wenn du vorausgehst ...« Cwym deutete mit einer Handbewegung an, dass er ihr den Vorrang ließ.
»Elfen sind zu allem Überdruss also auch noch Feiglinge?« Laura grinste - und fragte sich einmal mehr, wo sie all ihren Mut hernahm.
»Hüte dich!«, zischte Bathú. Er hatte mittlerweile wieder das Aussehen jenes glatzköpfigen Manns aus Reihe sechs des abgestürzten Flugzeugs angenommen, das sie nur zu gut kannte. »Unsere Geduld mit euch Menschen neigt sich ihrem Ende entgegen!«
»Unsere ebenfalls!« Laura deutete auf ihre Begleiter ringsum. »Ihr habt mich beim Kampf gegen den Thaíne mithilfe eurer Kräfte gestärkt, nicht wahr?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: »Diese Zusammenarbeit hilft beiden Seiten. Aber ihr seht uns nach wie vor als Vieh, das ihr vor euch hertreibt, um in dessen Umfeld unerkannt zu bleiben. Das, meine lieben Freunde, hat ab jetzt ein Ende. Wir sind gleichrangige Partner. Wir verdienen Respekt und Achtung. So, wie wir euch Respekt und Achtung entgegenbringen.«
Zögerlicher Applaus wurde laut. Er stammte von den Mitgliedern der Familie Müller, von Zoe, von Milt und einigen anderen Menschen. Manch anderer trat einen Schritt zurück, als fürchtete er einen Gewaltausbruch der Elfen.
»Du gefällst mir, Weiblein!«, sagte Ruairidh. »Wir hätten uns früher begegnen sollen. Wir hätten sehr viel Spaß miteinander gehabt ...«
»Das glaube ich kaum. Mit Lügnern und Betrügern gebe ich mich nur selten ab.« Laura wandte sich an Cwym. »Was sagt ihr? Bekommen wir jenen Respekt, der Uns zusteht?«
»Du schon«, antwortete der Elf mit geschürzten Lippen. »Ich schätze ein offenes Wort und noch mehr eine so ausgezeichnet und
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