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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Gebirgsmassiv.
    Also blieb nur die andere Seite!
    Drei Türen. Links, Mitte, rechts.
    Wenn ich nur wüsste, wo diese elenden Mistkerle stecken, dachte Winnie Heller.
    Na wo wohl?, höhnte ihr Verstand. Glaubst du, die hocken irgendwo im Dunkeln rum, während in einem anderen Raum der Fernseher läuft?
    Sie blickte wieder zu der erleuchteten rechten Türöffnung hinüber. Konnte sie es schaffen, ungesehen eine der beiden anderen Türen zu erreichen? Immerhin war es gut möglich, dass hinter einer der beiden ein Ausgang lag. Ein Weg in die Freiheit. Andererseits würde sie, um dorthin zu gelangen, mitten durch den Lichtkegel laufen müssen, der aus dem rechten Raum fiel. Und selbst wenn sie es schaffte, wie sollte es weitergehen? Wie willst du wegkommen von hier?, überlegte sie. Wenn dich dein Gefühl nicht getäuscht hat, liegt dieses verdammte Gebäude, in das sie euch gebracht haben, inmitten von Garnichts. Außerdem kannst du die anderen nicht einfach so zurücklassen. Wenn diese Kerle erst mal mitgekriegt haben, dass eine ihrer Geiseln fehlt ... Wer weiß, wie sie reagieren!
    Winnie Heller starrte das erleuchtete Viereck an. Hörte sie jetzt nicht doch so etwas wie Stimmen? Sie richtete sich auf und lauschte angestrengt. Ja, da war etwas! Etwas, das sie zuvor nicht gehört hatte!
    Fernseher oder Gespräch?
    Fernseher od...
    Sie erstarrte, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Die linke Türöffnung, ganz klar, doch die Zeit reichte nicht mehr aus, um wieder in Deckung zu gehen. Sie konnte nur noch den Atem anhalten und hoffen, dass das Dunkel um sie herum groß genug war. An seiner Statur erkannte sie, dass es der Mantel-Mann war. Bernd, der Brutalo. Er trat aus dem Dunkel hinter dem Türrahmen, und als von rechts ein wenig Licht auf ihn fiel, sah Winnie Heller, dass er die Hand noch am Reißverschluss seiner Hose hatte. Offenbar kam er gerade vom Pinkeln.
    Kurz hinter der Tür blieb er stehen und reckte seinen massigen Rücken, und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass er keine Maske trug. Dass sie sein Gesicht sehen konnte!
    Scheiße, dachte sie, aber sie sah auch nicht weg.
    Der Mann war blond, ein nordischer Typ, glattrasiert mit kantigen Zügen und schmalen, mitleidlosen Lippen. Obwohl sein Pullover recht dünn zu sein schien, trug er weder Jacke noch Mantel. Anscheinend verfügte er von Natur aus über genügend Eigenwärme, um selbst hier, in der klammen Kühle einer verlassenen Fabrikanlage, nicht zu frieren. Winnie Heller biss sich auf die Lippen, während ihr selbst ein Kälteschauer nach dem anderen über den Rücken lief. Trotzdem stand sie ganz still. Ihre einzige Hoffnung lag darin, dass er sie übersehen würde. Dass dieser Kelch irgendwie an ihr vorüberging.
    Nicht atmen. Nicht bewegen. Am besten nicht einmal denken.
    Brutalo-Bernd spuckte etwas in die Dunkelheit neben sich und schob beide Daumen in den Bund seiner Hose. Dann schlenderte er langsam, fast gemütlich auf das unstete Licht zu, das aus dem anderen Raum fiel. Seltsamerweise machte er dabei trotz des sandigen Bodens so gut wie kein Geräusch. Zumindest konnte Winnie Heller keine Schritte hören. Und automatisch musste sie daran denken, wie mühelos, beinahe elegant der Mann seine Massen herumgewirbelt hatte, um Iris Kuhn zu erschießen.
    Er hat Spaß daran, dachte sie. Dieser Kerl ist ein Sadist!
    Kurz vor dem erleuchteten Türrahmen blieb er plötzlich stehen und bückte sich nach irgendetwas. Bei dieser Gelegenheit fiel Winnie Heller auf, dass er seine Lederschuhe gegen ein Paar Sneaker getauscht hatte. Zugleich verspürte sie mit einem Mal wieder dieselbe Nervosität, die sie empfunden hatte, als er mit dem Wasserbecher für Iris Kuhn aufgetaucht war. Möchte vielleicht sonst noch jemand von Ihnen einen Wunsch äußern? Er hat mich gesehen, hämmerte eine Stimme hinter ihrer Stirn, während sie das unangenehme Gefühl hatte, dass ihr Körper ins Schwanken geriet. Dieser Kerl ist ein Profi, und sein Instinkt hat ihm längst verraten, dass ich da bin.
    Oder?
    Was machte er jetzt?
    Warum, zum Teufel, verschwand er nicht endlich zu seinen Kumpels und sah sich die neuesten Nachrichten an? Immerhin sollte man sich doch wohl auf dem Laufenden halten, wenn man eine Handvoll Geiseln in seiner Gewalt hatte, oder nicht?!
    Sie schielte wieder nach rechts, bis ihre Augen vor Anstrengung zu tränen anfingen, aber sehr zu ihrem Leidwesen stand Brutalo-Bernd noch immer wie festgefroren am selben Platz. Und ... Ja, verdammt, jetzt

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