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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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riechenden Lotion eincremen, wobei ihr vor Ekel beinahe übel wurde. Wie sie diesen dicken, faltigen, stinkenden Körper haßte! Wie sie die ganze Frau haßte!
    Joyce spürte natürlich den Abscheu, der ihr entgegengebracht wurde. »Du wirst nie jemanden finden, der dich liebt«, sagte sie gehässig. »Jedenfalls wird dich niemand lieben, der dich näher kennt. Du tust mir leid! Du bist wie deine Mutter – oberflächlich, vergnügungssüchtig und ohne ein einziges wahres Gefühl! Du hast nur deine schönen Kleider im Kopf und wie du möglichst viele Männer verrückt nach dir machst! Aber Frauen wie du bringen es nicht weit.« Sie nickte selbstzufrieden mit dem Kopf und setzte dann düster hinzu: »Du wirst eines Tages mit dem Gesicht nach unten im Staub liegen – und dann wirst du an meine Worte denken!«
    3
    Gina blickte Natalie nach, die, ein Handtuch um den nackten Körper geschlungen, das Zimmer verließ, um ins Bad zu gehen. Es war heiß in der Dachkammer wie in einem Backofen. Das Bettlaken klebte. Gina kuschelte sich noch eine Weile hin und her, dann stand sie auf. Sie trat an das geöffnete Fenster und blickte in die Zweige des Apfelbaumes. Noch wehte kein kühler Abendwind. Drückende Schwüle lastete über dem kleinen französischen Küstenort. Aus der Küche, die gleich unter ihr lag, konnte Gina die lebhaften Stimmen von David und Steve hören.
    Was für schöne Ferien ich hier habe! Und so nette Freunde! Es ist warm und das Leben ist herrlich!
    Sie konnte über das, was eben mit Natalie geschehen war,
weder Entsetzen noch Erschrecken empfinden. Es war schön gewesen, angenehm, wie ein warmes Bad, zärtlich, aufregend – aber es war auch nicht mehr gewesen, jedenfalls nicht für sie. Natalie hatte anders empfunden, das fühlte sie instinktiv Sie erinnerte sich, wie sie die Freundin auf ihr Bett hatte zukommen sehen und daß sie gedacht hatte, wie erotisch sie auf einmal wirkt, wie elektrisiert, so, als seien alle kleinen, blonden, zarten Härchen auf ihrer Haut hochgerichtet und reckten sich nach dem, was sich ihnen bot. Natalie hatte die Initiative ergriffen, Natalie hatte die ganze Zeit geglüht wie im Fieber.
    Natalie war lesbisch.
    Gina wandte sich vom Fenster ab. Ein Schuldgefühl erwachte in ihr, Angst davor, in einem anderen Menschen eine Hoffnung geweckt zu haben, die sie nicht erfüllen würde. Das einzige, was sie einen Moment lang unruhig kichern ließ, war die Vorstellung, Tante Joyce würde davon erfahren und wahrscheinlich vor Schreck eine neue Gallenkolik bekommen.
    Da sie Natalie im Augenblick nicht begegnen wollte, zog sie schnell ihren Bademantel an, bürstete sich die Haare, trug ein wenig Lippenstift auf und verließ das Zimmer. Am Fuße der Treppe stieß sie auf David. Er starrte sie an.
    »Hallo, David«, sagte sie munter, »du schaust, als hättest du mich noch nie im Leben gesehen. Stimmt ’was nicht?«
    »Nein, alles in Ordnung«, erwiderte David. Es klang etwas gepreßt. Sie schlenderte an ihm vorbei in die Küche. »Was ist, habt ihr eingekauft? Oh, Spaghetti! Tomaten, Käse, Zwiebeln! Ihr seid ja toll! Wir können gleich anfangen zu kochen!«
    »Okay«, entgegnete David. Er starrte sie noch immer an.
     
    Dann passierte die Sache mit Steve und seinem Bruder, die Ereignisse überschlugen sich, und die sonnigen Ferientage von St. Brevin tauchten in einen Nebel, der Vergangenem oft anhaftet. Die Zeit des leichten Lebens schien unwiderruflich vorbei. Kein Tee mehr bei Kerzenschein im Kreis der Freunde, keine durchflüsterten Nächte, keine Parties, auf denen ein paar Haschischzigaretten die Runde machten. Ein eigenartiger Zauber hatte
über dieser Zeit gelegen; sie hatten sich einander zugehörig gefühlt, nie wieder würden sie sich so unverbrüchlich verschwören. Jetzt wehte der Wind sie auseinander, das Band zerriß, plötzlich standen sie allein und mußten sich durchs Leben schlagen, von dem sie zu ahnen begannen, daß es unerwartet feindselig sein konnte.
    Was Gina anging, so stand sie vor dem Problem, kaum noch Geld zu besitzen. Alles, was Großmutter Loret hinterlassen hatte, war für die Schule draufgegangen – und für Tennisstunden, Fahrunterricht, schicke Kleider, Konzertkarten und Ferienreisen. Gina hatte im Stil von Saint Clare gelebt, das bedeutete, sie hatte im Monat mehr als tausend Pfund ausgegeben. Nun teilte der Anwalt ihr mit, daß sich auf dem Konto noch genau 500 Pfund befänden.
    »Am besten wirst du Sekretärin«, sagte Tante Joyce. »Ich habe schon

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